Immer wieder höre ich von Unternehmern, Vorsitzenden und Sprechern der Geschäftsführung oder des Vorstandes, sie hätten nicht das Umfeld, das sie für ein gesundes Wachstum – vor allem in der gebotenen Zügigkeit – benötigen würden. Dies ist aber regelhaft eine Ausrede denn: Wer, außer dem CEO, hat sonst derartige Gestaltungsspielräume? Selbst, wenn man der Tatsache Rechnung trägt, dass sich ein CEO faktisch seine Geschäftsführungs- oder Vorstandskollegen nicht aussuchen kann, weil der Anteilseigner, hier vertreten durch den Aufsichtsrat, Beirat oder Gesellschafterausschuss, die Unternehmensführung bestellt, ist dies argumentativ dünnes Eis, denn wir wissen alle sehr wohl, dass ein CEO einem Wunsch nach Bestellung oder Abberufung eines Kollegen oder einer Kollegin auf Unternehmensführungsebene sehr wohl Nachdruck verleihen kann.
Es gibt kaum tragfähige Entschuldigungen oder Ausrede dafür, dass die Unternehmensführung sich nicht das Umfeld schafft, dessen das Unternehmen bedarf, um Wachstum zu generieren. Natürlich muss man die Mitarbeiter, die im Unternehmen sind, erst einmal so nehmen, wie sie sind. Natürlich kann man nicht von jetzt auf gleich alles ändern – das heißt, vielleicht könnte man, aber man sollte nicht, denn es gilt das Prinzip: Erst Verstehen, dann Verändern; nicht umgekehrt. Aber: Wenn die der CEO feststellt, dass er oder sie mit einem weiteren Mitglied der Unternehmensführung nicht arbeiten kann, weil dieses Mitglied nach Erachten des CEO dem Wachstum des Unternehmens nicht förderlich ist, muss gehandelt werden. Wenn ein Geschäftsführungsmitglied feststellt, dass seine Führungskräfte nicht so handeln, wie die Situation des Unternehmens dies erfordern würde, muss es handeln. Wer nicht handelt, schadet mindestens fahrlässig dem eigenen Unternehmen. Und, nein, es ist keine Entschuldigung, dass eine bestimmte Person schon tausend Jahre im Unternehmen ist und vor achthundert Jahren signifikante Ergebnisse erbracht hat. Sorry, aber es zählen die Gegenwart und die Zukunft.
Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, bei Mandat würde ein hohes Bestreben nach dem Austausch von Mitarbeitern bei unseren Klienten herrschen. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade wir als Berater müssen unsere Klienten-Projektteams ja nehmen, wie sie sind, denn wir haben ja keinerlei Weisungsbefugnis. Und nicht selten haben wir genau damit schon große positive Überraschungen erlebt. Die Frage ist aber: Wo ist die Erträglichkeitsgrenze? Wenn jemand regelhaft seine Versprechen nicht einhält – selbstverständlich immer mit vermeintlich gutem Grund („Ich musste dringend mit dem Kunden Gespräche führen“ geht immer) –, schadet er nicht nur dem gemeinsamen Ziel, sondern er ermuntert auch andere, sich so zu verhalten: Versprechen, einen guten Grund finden, das Versprechen nicht einhalten, den Grund vortragen, Absolution erhalten, weitermachen wie bisher. Die Besten werden schimpfen, manche werden in die innere Immigration gehen und fatal ist, dass die Unternehmensführung durch das aktive Nicht-Handeln ihre eigene Autorität und Glaubwürdigkeit eigenhändig untergräbt.
Schaffen Sie sich Ihr Umfeld. Sorgen Sie dafür, dass Sie weitgehend objektive quantitative, aber auch aussagefähige qualitative Messgrößen zur Hand haben, die Ihnen Auskunft darüber geben, ob ein Kollege oder ein Mitarbeiter im Sinne des gemeinsam Beschlossenen verhält. Bedenken Sie dabei: Besonders in Veränderungssituationen sind nicht nur die tatsächlichen Zahlen und Resultate maßgeblich, sondern das Aufbrechen in die richtige Richtung, das Beenden eines nicht mehr zielführenden Verhaltens, die deutliche Erkennbarkeit einer Verhaltensänderung kann und muss schon als Erfolg gewertet werden.
Erkennen Sie dies nicht, ziehen Sie die Konsequenzen. Das Prinzip „Hoffnung“ hat seine Grenzen. Auch in der Unternehmensführung.
© 2015, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York. *** Der CEO-Tipp des Monats ist Auszug aus dem monatlich erscheinenden Mandat Growthletter®, der kostenfrei bezogen werden kann: Anmeldung
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