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Mandat Wachstums-Wochenstart Nr. 704: Systeme hinterfragen

Auf unserer gerade beendeten Reise in die Schweiz wollte ich einen Lebensmitteleinkauf erledigen und lieh mir dazu das Ampler-E-Bike meiner Frau aus, ein sehr cooles Stadtfahrrad. Raus mit dem Rad aus der Heckgarage des Wohnmobils, Rucksack aufsetzen und startklar machen. Natürlich sind die Bedienelemente gänzlich andere als bei meinem eigenen Rad, einem Mountain-E-Bike von Rotwild. Aber, Kleinigkeit: Es gibt nur einen Knopf. Drücken, Kontrolllampe wird erst rot, dann grün. Grün ist gut, es kann also losgehen. Aufsitzen, abfahren.

„Klasse fährt sich das“, dachte ich, als ich auf ebener Strecke flott dahinschwebte. Die schmaleren, eher auf festen Belag zugeschnittenen Reifen glitten über die Straße, es gab kaum Geräusche, ganz im Gegensatz zu Fahrten mit meinem Bike mit den breiten und auf Asphalt durchaus hörbaren Mountainbikereifen mit größerem Rollwiderstand.

Nach der ebenen Straße folgte ein steiler und recht langer Anstieg im Wohngebiet. Die Sattelhöhe hatte ich nicht verstellt und dadurch, dass meine Frau und ich unterschiedliche Körpergrößen haben, hatte ich nicht den optimalen Winkel zur Kraftübertragung. Es wurde steil und steiler und der Weg wurde lang und länger. Ich trat weiter mit der schnellen Kurbelfrequenz, die man vom E-Bike kennt, schaltete herunter, gelangte dann aber an meine Grenzen und musste … anhalten! Ich. Musste. Anhalten! Viele, wirklich viele tausend Höhenmeter war ich schon mit Mountainbikes gefahren, früher natürlich ohne Antrieb und an diesem Stadtberg, auf einer Straße (!) ging es nicht weiter? Finde den Fehler.

Ich atmete erst einmal durch, die Oberschenkel brannten. Nach einer Minute fuhr ich trotzig weiter. Versagt, mit einem E-Bike, in der Stadt, eieiei, wie sollte ich denn damit umgehen?

Nach dem Einkauf ging es natürlich bequem steil bergab und zurück am Wohnmobil berichtete ich meiner Frau über mein Erlebnis. „Was hast Du gedrückt?“, fragte sie. Ich: „Den einzigen Knopf. Erst kam ,Rot‘, dann kam ,Grün‘.“ – „Gut. Dann hast Du das Licht eingeschaltet.“ Pause.

Das Licht eingeschaltet – es hallte nach. Natürlich, das Licht war an, erinnerte ich mich. Meine Frau erklärte, dass man, wolle man den Antrieb aktivieren, den Knopf länger drücken müsse, die Kontrollleuchte leuchte dann orange und blinke mehrfach, je nach gewünschter Antriebsstärke zwei- oder dreimal. Aha. Ich war also ohne Antrieb gefahren, mit dem 17-Kilo-Bike, in der gewohnten, schnellen E-Bike-Trittfrequenz, mit suboptimalem Kniewinkel am steilen Berg, in der Annahme, mit Antrieb zu fahren. Das erklärte auch, warum ich nicht den typischen E-Bike-Motor-„Sound“ gehört hatte, wie mir hinterher auffiel.

Mein Ego war auf der einen Seite wieder zurechtgerückt, ich hatte nicht „am Berg versagt“, auf der anderen Seite fragte ich mich: „Wie unaufmerksam kann man sein?“ Mir hätte auffallen können, dass ich ohne Antrieb fuhr, aber ich hatte mich von der grünen Leuchte leiten lassen. Was lehrt uns das für unseren wachstumsstarken Start in die neue Woche?

Mich lehrte dieses Erlebnis vor allem eines: Hinterfrage neue Systeme, denn es kann sein, dass sie anders arbeiten als vergleichbare Systeme, die Du schon kennst. Frage Experten (hier: meine Frau), bevor Du unter Annahmen, die möglicherweise falsch sind, ein solches neues System in Betrieb nimmst. Wir erleben dies in der Beratung sehr oft und dabei müssen „Systeme“ nicht neue technische Systeme sein, sondern es kann sich auch um neue Arbeitsmethoden handeln. Offenbar passiert so etwas nicht nur unseren Klienten.

Da sage noch einmal jemand, im Urlaub würde man nicht lernen.

Auf eine gute Woche

Ihr und Euer

Guido Quelle