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Mandat Wachstums-Wochenstart Nr. 385: Unerkannte Freiheit

Wachstums-Wochenstart

Mandat Wachstums-Wochenstart Nr. 385: Unerkannte Freiheit

Drei, vier Mal im Jahr habe ich einen besonderen „Job“. Ich lege meine weiße Krawatte an, lege meine schwarze Richterrobe über den Arm und fahre zum Landgericht Dortmund, um an einer Sitzung der Kammer für Handelssachen als Handelsrichter mitzuwirken. Die Zusammensetzung ist stets dergestalt, dass ein Vorsitzender Richter – in meinem Fall eine Vorsitzende Richterin – und zwei ehrenamtliche Handelsrichter die anstehenden Fälle mit den Parteien verhandeln. Die Handelsrichter werden von den Industrie- und Handelskammern vorgeschlagen, vom Präsidenten des Landgerichts vereidigt und sind stets Vollkaufleute mit gleichem Stimmrecht wie der vorsitzende hauptamtliche Richter. Es kann also bedeuten, dass die beiden ehrenamtlichen Handelsrichter den Vorsitzenden überstimmen, was allerdings in der Praxis aber äußerst selten vorkommt. Sehr wohl kommen durch uns Handelsrichter oft neue Facetten in eine Verhandlung. Sinn dieser Konstellation ist, dass unternehmerisches und betriebswirtschaftliches Know-how in eine Sitzung der Kammer für Handelssachen eingebracht wird. Meines Wissens ist dieses deutsche Modell vorbildhaft in der Welt.

Neulich war wieder ein Verhandlungstag. Wir Handelsrichter erhielten von unserer stets brillant vorbereiteten Vorsitzenden einige Tage zuvor eine 13 seitige Unterlage, die wir durchgearbeitet hatten, wir berieten uns, bevor die Parteien den Raum betraten, verhandelten mehr als eineinhalb Stunden intensiv und nahmen danach ohne die Parteien unsere Schlussberatung vor, die zu einem Urteil führen würde. Dieses Urteil werden wir per Post erhalten, unterzeichnen und es wird den Parteien dann zugestellt, beziehungsweise in einem Verkündungstermin verkündet.

Mir macht diese Aufgabe sehr viel Freude und ich lerne enorm viel dabei, auch zum Beispiel über das Wahren der Neutralität, wenn Menschen (Anwälte wie ihre Mandanten) eventuell bewusst provozieren, ins Schwadronieren geraten oder schlicht unsympathisch sind. Wir Richter müssen neutral bleiben, die Personen spielen keine Rolle, es geht ausschließlich um die Sache.

Als ich in der letzten Verhandlung dem Vortrag einer der beiden Parteien zuhörte, kam mir in den Sinn, wie großartig wir es in Deutschland haben: Jeder von uns hat das Recht, sein Anliegen, angemessener Klagegrund und Begründung der Klage vorausgesetzt, mittels eines Rechtsbeistands an einem ordentlichen Gericht einzuklagen, es wird der gesamte Sachverhalt gesichtet, durchgearbeitet, gewürdigt, verhandelt und es wird ein Urteil nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis unseres Rechtssystems gesprochen. Es wird seitens des Gerichts – zumindest im Zivilrecht – stets versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Wenn dem Kläger oder dem Beklagten das Urteil nicht zusagt, besteht die Möglichkeit, eine höhere Instanz anzurufen und dort erneut zu verhandeln und all das wird geduldig Schritt für Schritt ermöglicht, alles ohne Ansehen der handelnden Personen, alles basierend auf einem demokratisch entstandenen Gesetzesrahmen.

Das ist ein grandioses Element einer freiheitlichen Ordnung. Es ist oft unerkannte Freiheit. Es ist Freiheit, die wir einfach so hinnehmen, weil sie so selbstverständlich ist.

Diese Freiheit ist aber nicht selbstverständlich. Wir haben sie uns errungen, uns erarbeitet, uns bewahrt. Ich finde, es ist wichtig, sich die einzelnen Aspekte unserer Freiheit öfter vor Augen zu führen, es ist ja nicht nur das Zivil- oder Strafrecht, wir sprechen auch über ein Wahlrecht auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, wir haben eine Polizei, die das Recht nach bestem Wissen und Gewissen schützt, wir können auf die Straße gehen und für unsere Anliegen demonstrieren, ich könnte diese Liste beliebig fortführen.

Für diese oft unerkannten Elemente der Freiheit lohnt es sich, einzustehen. Führen Sie Gespräche darüber auch mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn in unseren Unternehmen verbringen die Menschen ja einen guten Teil ihres Tages und ihres Lebens. Da dürfen wir auch einmal ein wenig Werbung für die Wunder unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung machen.

Auf eine gute Woche!

Ihr und Euer
Guido Quelle

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© 2019, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.
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