Mandat Wachstums-Wochenstart® Nr. 588: Hat jemand von Euch den Gast gesehen?
Ein sehr gutes, mir neues Hotel in einer deutschen Großstadt, ich bin spät zum Frühstück, das bis zehn Uhr gereicht wird, komme erst fünfzehn Minuten vor Schluss in den Frühstücksraum. Ich besorge mir einige Dinge vom überaus reichhaltigen, guten Frühstücksbuffet, werde darauf hingewiesen, dass ich Eierspeisen und Kaffee am Tisch zu bestellen habe und beziehe mit meinem Teller einen Platz am Fenster.
Etwa fünf, sechs Meter von mir entfernt stehen zwei Mitarbeiterinnen aus dem Service, die sich fröhlich austauschen. Ich schaue in ihre Richtung. Lange. Sehr lange. Es tut sich nichts, außer dass sich noch eine Mitarbeiterin dazugesellt, aber niemand nimmt Notiz von mir. Das nehme ich nicht persönlich, offensichtlich möchte mir einfach niemand Kaffee oder Eierspeisen bringen, ist ja auch bald Schluss hier. Warum denke ich dabei an Karstadt oder an Praktiker-Baumärkte?
Ich unterbreche meine Gedankenkette, denn es wird Zeit. Kurz bevor ich aufstehe und die Damen in ihrem angeregten Gespräch mit meinen Wünschen stören kann, fegt der Servicechef aus den Tiefen des Raums mit hoher Geschwindigkeit an den drei Damen vorbei. Das Gezischte „Hat jemand von Euch den Gast gesehen?“ schneidet die Luft im Raum. Die Damen nehmen es gelassen. Huch, ein Gast.
Der Servicechef kommt zu mir, nimmt meinen Wunsch auf und gibt die Bestellung weiter. Einige Minuten später erscheint er wieder mit den Spiegeleiern, bietet frisch gemahlenen Pfeffer an, fragt höflich, ob ich noch weitere Wünsche habe – der Kaffee sei in Arbeit –, denn das Buffet werde in wenigen Minuten geschlossen. Ich verneine, bin versorgt. Neun Uhr siebenundfünfzig, Glück gehabt.
Während eine der drei Damen den Kaffee bringt, teilt der Chef einer anderen offenbar mit, dass keine weiteren Wünsche meinerseits bestünden. Es ist neun Uhr neunundfünfzig.
„Ameliiie, wir können alles abräumen!“ Der Ruf schallt quer durch den Raum. Ich zucke zusammen.
Plötzlich kommt Bewegung in die zuvor so ruhig anmutende Szenerie, denn Amelie reagiert ohne schuldhaftes Zögern. Hand in Hand geht es, Besteck klappert, Tische werden gerückt, Gläser klingen fröhlich. Die Damen machen keinen Hehl aus ihrer Freude und räumen ab. Die Geräuschkulisse ist bemerkenswert. Ich beende mein Frühstück und nehme einen eingehenden Anruf an. Das tue ich sonst im Restaurant nicht, aber jetzt ist’s auch egal, trage ich eben ein wenig zum Lärm bei, das verspielt sich.
Haben Sie bei der Geschichte gedacht „Das habe ich auch schon ähnlich erlebt“? Oder „Typisch Gastronomie“? Oder „Tja, Fachkräftemangel“?
Hier kommt mein Punkt: Die Hoteldirektion weiß nicht, was in der Abteilung „Restaurant“ passiert ist. Es hätte sie aber sicher interessiert, weil das Verhalten der Mitarbeiterinnen – freundlich oder nicht – nicht zur Marke passt. Das konnte auch der Servicechef nicht herausreißen. Ich bin hundertprozentig sicher, dass dieses Verhalten ein Muster ist und nicht nur mir auffällt. Aufmerksamkeit im Service ist eine Haltung, keine gelegentliche Erscheinung.
Wie verhält es sich bei Ihnen? Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter, die Sie nicht ständig sehen, richtig geführt werden? Wie stellen Sie sicher, dass sie Ihre Marke richtig transportieren? Was tun Sie dafür? Ist die Marke überhaupt Bestandteil von Führung bei Ihnen? Dies ist immer wieder ein komplexes, aber gut lösbares Thema in unseren Beratungsmandaten.
Ich bin gespannt auf Ihre Schlüsse aus dem Wochenstart.
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle