Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 671: Fussgänger bitte drücken
Vor kurzem bin ich mit einem unserer Hunde auf die Reise gegangen, um unser Wohnmobil aus der Wartung abzuholen. Wir hatten einige Kilometer Fußweg zum Bahnhof zurückzulegen, sind mit drei Zügen gefahren und hatten dann noch einen Gang vom Zielbahnhof zum Wohnmobil-Händler, ebenfalls einige Kilometer. Wenn man bewusst zu Fuß durch den Straßen- und Stadtverkehr geht, entdeckt man allerlei, was man als Autofahrer gar nicht so wahrnimmt. So überquerten Banou – die Hündin, mit der ich unterwegs war – und ich einen provisorischen Fußgängerübergang, der mit einer Ampel gesichert war und dort war zu lesen: „Fußgänger bitte drücken“. Ich musste lachen: warum, um alles in der Welt, sollte ich hier Fußgänger drücken? Natürlich war mir bekannt, dass es darum ging, die Ampel zu betätigen, indem ein entsprechender Knopf zu drücken war, aber die Formulierung amüsierte mich köstlich.
Ich machte ein Foto von dem Schild und postete es auf einem sozialen Medium. Kurz danach schickte mir ein Follower ein Foto, auf dem das Schild „Motor bitte abstellen“ abgebildet war. Am Fuße der Stange, an welcher das Schild befestigt war, stand ein Motorblock. Ich habe laut gelacht. Warum, um alles in der Welt, soll man dort einen Motor abstellen?
Natürlich wissen wir alle, was gemeint ist. Sprache ist eine nicht nur komplexe, sondern mitunter, in all ihren Facetten, Redewendungen und Variationen, komplizierte Sache. Muttersprachler gehen mit ihrer Muttersprache virtuos um und wissen Redewendungen und verkürzte Anweisungen („Fußgänger: bitte drücken“ mit Pfeil wäre deutlicher gewesen) entsprechend einzuordnen. In einer anderen Sprache sieht das schon anders aus. „It’s raining cats and dogs“, diese Wendung für einen sintflutartigen Regen ist uns vielleicht noch aus dem Englischunterricht in der Schule bekannt, aber mit Katzen und Hunden hat das nichts zu tun. Und außerdem: warum Sintflut?
Die Sprache ist eines der wesentlichsten Elemente eines integrierten Miteinanders. Je besser wir eine Sprache beherrschen, desto mehr können wir Teil einer Gesellschaft sein. Besonders wichtig wird dies bei Internationalisierungsprojekten, denn der größte Fehler, der gemacht werden kann, ist der, dass plötzlich alle Beteiligten Deutsch sprechen. Meist einigt man sich auf Englisch, was dazu führt, dass sich fast alle nicht mehr im muttersprachlichen Raum bewegen. Je besser wir aber die gemeinsame Sprache beherrschen, desto besser werden die Projektergebnisse.
Wenn Sie also internationalisieren, dann widmen sie dem Faktor „Sprache“ Aufmerksamkeit. Dies gilt auch dann, wenn sie Mitarbeiter einstellen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Helfen Sie diesen Mitarbeitern dabei, zu erkennen, dass ein Wolkenbruch nichts damit zu tun hat, dass Wolken zerbrechen, dass ein Überhang nicht unbedingt etwas mit einem Berg zu tun haben muss und dass „Motor bitte abstellen“ nicht wörtlich zu nehmen ist.
Auf eine gute Woche
Ihr und euer
Guido Quelle