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Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 676: Ich kann Ihnen das schreiben

Kürzlich fiel mir in unserem „LeoExpress“, einem komfortabel ausgestatteten VW-Multivan, den wir für Fahrten mit unseren Leonberger-Hunden einsetzen, auf, dass die Onlinedienste, die wir vor allem wegen der Echtzeit-Informationen über den Verkehrszustand nutzen, nicht mehr zur Verfügung standen. Ich fand keine Lösung und um in der Sache weiterzukommen, drückte ich also im Auto auf die Info-Taste. Direkt wurde ich mit VW verbunden. Man vermittelte mich in die Abteilung „digitale Dienste“, ich schilderte mein Problem, musste einige Fotos von Bildschirmdarstellungen anfertigen, diese e-mailen und man sicherte mir zu, dass man sich schnell melden würde.

Das war auch der Fall. Nach relativ kurzer Zeit meldete sich VW schriftlich bei mir: Man bedanke sich für die Schilderung des Problems und man würde sich melden. Auch dies war der Fall. Nach wiederum kurzer Zeit meldete sich VW bei mir, wiederum schriftlich, wiederum vermutlich mit einem KI-generierten Brief: Man freue sich, mir mitteilen zu können, dass man das Problem gefunden hätte. Nun solle ich einen Händler benennen, dem VW dann den Charakter des Problems schildern würde, sodass dieser Händler sich mit mir in Verbindung setzen, einen Termin vereinbaren und das Defizit beheben könne. Die Kosten dafür hätte ich zu tragen.

Haben Sie auch Fragezeichen auf der Stirn? Mir ging es jedenfalls so. Warum teilt man mir nicht mit, was das Problem ist? Antworten, die ich per E-Mail sandte, landeten natürlich im Nichts, zumindest erhielt ich keine Antwort mehr. Die KI war vermutlich überfordert. Also griff ich zum Telefon und rief die im Schreiben angegebene Nummer an. Die freundliche Mitarbeiterin teilte mir unmissverständlich mit, dass sie mir das Problem nicht schildern könne, dass dies nur dem Händler mitgeteilt würde und dieser sich dann melden würde. Der Einwand, dass ich der Vertragspartner sei, galt nicht.

Dann kam es: Die Mitarbeiterin beharrte, trotz meiner zahlreichen Einwände, darauf, dass ich die Problemlösung-Mitteilung nicht bekommen würde. Sie könne das auch schreiben. Ich: „Was können Sie mir schreiben?“ „Dass sie mir das nicht sagen dürfen?“ – Mitarbeiterin: „Ja!“ Ich teilte ihr mit, dass sie sich diese Mühe sparen dürfe, informierte sie über den VW-Vertragspartner, mit dem ich zusammenarbeiten würde, und beendete das Gespräch.

Die Dame hätte es tatsächlich getan. Sie hätte mir einen Brief geschickt, aus dem ich hätte entnehmen können, dass sie mir die Lösung des Problems nicht schicken könne, wolle oder dürfe. Das muss man sich einmal vor Augen führen.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie auch solche Prozesse? Werden bei Ihnen auch Schreiben versendet, die ausführlich begründen, warum etwas Bestimmtes nicht geht? Wenn ja: stoppen Sie das! Selbst wenn dies nicht der Fall ist, gehen Sie unbedingt auf die Suche nach überflüssigen oder gar schädlichen Prozessen im Kundenservice. Wir erleben immer wieder in der Beratung, dass sich im Kundenservice über die Zeit Dinge einschleichen, die unmöglich gewollt sein können.

Wahrscheinlich ist es überflüssig, es zu erwähnen: als ich zum mit dem VW-Vertragspartner vereinbarten Termin einige Tage später erschien, war das Problem, das zwei Wochen lang bestand, natürlich plötzlich nicht mehr vorhanden. Nach Rücksprache mit dem freundlichen Servicemitarbeiter verließ ich kurze Zeit später unverrichteteter Dinge den Hof. Bis heute funktioniert das System einwandfrei.

Auf eine gute Woche

Ihr und Euer

Guido Quelle

Zwangsbeglückung, oder: Vom Umgang mit E-Mails

Die im Sommerloch kursierende Nachricht, dass Daimler ermöglichen will, dass E-Mails, die im Urlaub eines Mitarbeiters eingehen, direkt gelöscht werden, löst – vorsichtig formuliert – eine noch größere Verwunderung aus, als das Abschalten des E-Mail-Servers bei Volkswagen nach einer bestimmten Uhrzeit am Abend. Man stelle sich vor, man sendet eine E-Mail an einen Mitarbeiter eines Unternehmens und erhält folgenden Autoresponder: „Sehr geehrter Absender, ich bin derzeit im Urlaub, mein Stellvertreter ist …, den Sie unter … erreichen. Ihre E-Mail an mich wird nicht weitergeleitet, sondern wurde automatisch gelöscht.“ Ich würde mich fragen, ob es der 1. April wäre.

Kaum ein Thema beherrscht in Sachen digitaler Technologie die Medien derzeit mehr als der Umgang mit Smartphones im Allgemeinen und mit E-Mails im Besonderen. Die Zwangsbeglücker sind schnell auf der Bühne und es gibt pauschale Beglückungsprogramme: Server ab einer gewissen Uhrzeit abschalten, E-Mails im Urlaub löschen lassen, was darf es sein? Mit Verlaub: Eingehende Briefe, Faxe, von Kollegen oder Projektpartnern abgegebene Aktenordner können auch nicht einfach „gelöscht“ werden. Das wurden sie auch nie.

Versäumt wird bei den gutmenschlichen Beglückungsversuchen, auf die Selbstständigkeit der Mitarbeiter zu setzen. Statt dass Führungskräfte in ihre Pflicht zu führen auch integrieren, dass sie sich mit ihren Mitarbeitern gemeinsam über den Umgang mit E-Mails und auch mit der Menge eingehender E-Mails verständigen, gibt es das volle Programm der Bevormundung.

Wie wäre es mit folgendem Konsens in einem Unternehmen:

  • E-Mails werden nur gesendet, wenn es erforderlich ist,
  • E-Mails werden nicht zur Diskussion wichtiger Dinge genutzt,
  • ein „CC“-Verteiler wird nicht zur Absicherung des eigenen Tuns genutzt,
  • „BCC“ findet nicht statt,
  • jede Person entscheidet eigenständig, ob und wann sie eine E-Mail sendet,
  • jede Person entscheidet eigenständig, ob sie außerhalb der Arbeitszeit E-Mails abruft
  • es besteht keine Pflicht zur Beantwortung von E-Mails außerhalb der Arbeitszeit (so auch im Urlaub), es sei denn, es wurde ausnahmsweise projekt- oder themenbezogen etwas Abweichendes vereinbart,
  • wenn es ausnahmsweise etwas wirklich Wichtiges gibt, das den Einbezug einer im Urlaub befindlichen Person erfordert, erfolgt der Kontakt per SMS oder Telefon.

Dies erfordert natürlich den gemeinsamen Dialog über „wichtig“ und „unwichtig“, es erfordert eine gemeinsame E-Mail-Kultur. Bei der obigen Liste handelt es sich um unaufgeschriebene aber thematisierte Empfehlungen, wie sie in meinem Unternehmen existieren und – viel besser: auch funktionieren.

© 2014, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.