„Ich habe keine Schuld und Recht habe ich auch“ – Episode 2
Wie versprochen: Dies wird eine neue Rubrik. In Episode 1 von „Ich habe keine Schuld und Recht habe ich auch“ ging es um eine E-Mail-Helpline eines Telefongeräteherstellers, heute ist ein Fensterhersteller Objekt der Betrachtung.
Episode 2: Fensterhersteller
Vor kurzem gab es ein merkwürdiges Geräusch von einem unserer Dachflächenfenster. Habe ich dem Geräusch initial auch keine Bedeutung beigemessen, ging ich beim zweiten Knacken nachsehen. Wer beschrieb mein Erstaunen, als ich sah, dass die Innenscheibe besagten Fensters zersprungen war und ein wunderbares „Spinnennetzmuster“ aufwies. Die Innenscheibe musste also ausgetauscht werden. Sie war ohne äußere Einwirkung zersprungen.
Ein Blick ins Internet brachte den Fehler an den Tag: Der Hersteller hatte bereits im vergangenen Jahr eine Produktwarnung für bestimmte Fenster eines bestimmten Jahrgangs herausgegeben. Das Problem war also bekannt. Nach Anruf bei der Hotline, während dessen ich auf eine Website zur Reklamation verwiesen wurde, füllte ich das Online-Formular aus und schickte es ab. Nicht einmal einen Tag später erhielt ich eine Eingangsmeldung: Man würde sich bei uns melden.
Nach einer Woche geschah … nichts. Ich schrieb eine E-Mail. Einige Tage später: immer noch nichts. Ich rief die Hotline an:
- Ich: „Sie haben mir zum Vorgang xyz eine Eingangsmeldung gesendet und ich habe trotz erneuter Nachfrage nichts gehört.“
Herr an der Hotline: „Es ist viel zu tun. Wir haben die E-Mail aber weitergeleitet.“ („Ich habe keine Schuld und habe alles richtig gemacht.“) - Ich: „Weitergeleitet?“
- Er: „Ja, an den Service, aber ich sehe gerade … [Keine Ahnung, was er sah] … Ich faxe es nochmal.“ („Ich mache wieder alles richtig.“)
- Ich: „Vielleicht wäre ein Anruf gut?“
- Er: „Nein, nein, das geht jetzt alles in Ordnung.“ („Ich mache ALLES richtig!“)
Einige Tage später war nichts geschehen. Was tat ich? Richtig: Ich rief die Hotline an.
- Ich (inzwischen, sagen wir, ungeduldig): „Ich möchte, dass der Vorgang xyz vor Weihnachten abgeschlossen wird.“
- Dame an der Hotline: „Achje, das wird wohl nichts, Sie sind ja nicht der Einzige. Außerdem habe ich darauf keinen Einfluss.“ („Kunde, Du bist nicht nur dumm, sondern auch naiv.“)
- Ich: „Das ist mir egal. An wen kann ich mich wenden?“
- Sie: „Das geht alles nur über uns!“ („Schließlich machen wir hier alles richtig.“)
- Ich: „Dann tun Sie etwas.“
- Sie: „Wir haben uns mehrfach bereits in dieser Sache an den Außendienst gewendet, an uns liegt es nicht.“ („Ich habe keine Schuld.“)
Das Gespräch lief ein wenig Ping-Pong-mäßig weiter, immerhin mit dem Resultat, dass einen Tag später der Techniker anrief, um einen Termin zu vereinbaren. Zur Ehrenrettung des Unternehmens sei gesagt, dass erstens Null Diskussion darüber stattfand, wer den Schaden trägt – nach Übermittlung der Fenster-Seriennummer war die Verursacherfrage zu Lasten des Unternehmens geklärt – und dass der Techniker eine ganz hervorragende Arbeit bei hoher Terminverlässlichkeit zeigte. Die Hotline aber hat Verbesserungsbedarf in der Kommunikation.
Wie steht es um Ihre Hotline? Haben Sie sie einmal anonym mit einem Problem konfrontiert? Wie sind die Reaktionen? Ist die Hotline ein Wachstumsmotor oder eine Wachstumsbremse?
… to be continued …
(c) 2013, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH