Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 685: „Get a Life!“
Sie wissen, dass ich von dem Begriff „Work-Life-Balance“ überhaupt nichts halte, denn ich bin der Überzeugung, dass der Begriff eine bewusste Differenzierung zwischen „Arbeit“ und „Leben“ herbeiführt, was natürlich unzulässig ist, denn die „Arbeit“ – wie auch immer sie sich darstellt – ist wichtiger und relevanter Teil des Lebens, eben nicht nur zum Geldverdienen.
Daher ist der korrekte Begriff „Life Balance“. Auf diese Weise kommen wir wesentlich wertschöpfender weiter in der Frage nach der Lebensgestaltung.
Auf meinem X-Account schrieb ich kürzlich folgendes: „Zu viele Menschen merken nicht, wenn sie an Bedeutung in der Öffentlichkeit verlieren. Sie fühlen sich geschmeichelt, in Talkshows eingeladen zu werden, wenn es besser wäre, sich in Zurückhaltung zu üben und vielleicht hinter den Kulissen zu wirken, wenn jemand zuhören möchte.“
Das ist die andere Seite: zu viel „Work“. Bei vielen – oft vormals bedeutenden – Menschen in Politik, Kultur, Wirtschaft kann beobachtet werden, dass sie weit über ihren Zenit hinaus noch das tun, was sie früher, auf der Höhe ihrer Zeit, getan haben: Interviews geben, sich als Talkshowgäste zur Verfügung stellen, im operativen Geschäft mitwirken, Thesen aufstellen und Positionen vertreten.
Ich kann, will und werde kein Pauschalurteil abgeben, aber viele der Einlassungen jener vormals inhaltlich wichtigen Menschen sind bestenfalls irrelevant, schlechtestenfalls hinderlich. Ja, es gibt einige, die im Alter noch immer besser werden, auf der Höhe der Zeit sind und bleiben, die es erfolgreich verstehen, sich mit den neuen Gegebenheiten auseinanderzusetzen, das ist immer eine Bereicherung – wir alle haben jetzt vermutlich Namen und Gesichter vor Augen, aber bei manchen ist es einfach eine traurige und Kopfschütteln verursachende Vorstellung. Auch in der Wirtschaft!
Nur, wer sagt’s denen? Richtig: Niemand. Und wenn es jemand sagt, wird derjenige künftig gemieden oder gleich gefeuert.
Hier ist eine Faustregel aus unserer Beratung: Wir raten allen Unternehmern „Regeln Sie Ihre Nachfolge dann, wenn es Ihnen gut geht und wenn es Ihrem Unternehmen gut geht.“ Das ist die schwierigste Situation, weil man ja meint, es ginge ewig auf höchstem Niveau weiter. Das ist aber eine irrige Annahme. Gleiches gilt in Management-Positionen: Regeln Sie die Nachfolge bereits dann, wenn der Stelleninhaber noch richtig gut performt. Der Nachfolgeprozess dauert eine ganze Weile, will man ihn gut machen.
Denjenigen Hochleistern, die ihre Nachfolge regeln, sei folgendes geraten: Kümmern Sie sich rechtzeitig – das bedeutet „sehr frühzeitig“ – darum, dass Sie neben Ihrer beruflichen Erfüllung andere Themen in Ihrem Leben haben, die Ihnen Freude machen. Ja, das ist nicht einfach, bekommt man doch in dem, worin man gut ist, permanent Zuspruch, Lob, Erfüllung, aber zu einem erfüllten Leben gehört mehr.
Sport, das Sammeln von irgendetwas, kulturelle Interessen, Freunde, Familie, Kulinarik, Reisen, Ehrenamt (Vorsicht: Auch da grenzt es oft an „Leistung“), weiß der Himmel, was. Aber sorgen Sie für ein facettenreiches Leben. Sie stellen damit sicher, dass Sie sich überall wohl fühlen, anderen nicht auf die Nerven gehen und Ihre Nachfolger Raum haben, alles noch besser zu machen als Sie selbst.
Auch das ist „Life Balance“.
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle