Mandat Wachstums-Wochenstart® Nr. 603: Querlesen und überfliegen
„Ich habe das quergelesen“, alternativ „ich habe es überflogen“, dies sind Ausdrücke, die ich gar nicht schätze und die ich, wenn sie mir selbst herausrutschen, was sehr selten geschieht, sofort zu präzisieren versuche.
Die aufmerksamen Leser meines Wachstums-Wochenstarts werden in den Ausgaben 358 und 444 bereits etwas über das „in die Tiefe gehen“ gelesen haben (Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Sie sich nicht erinnern, ich musste auch nachsehen). Auch dort war das Querlesen schon ein Thema.
Es wird immer wichtiger, sich mit dem Querlesen, mit dem Überfliegen zu beschäftigen, weil wir neue Fähigkeiten brauchen. Die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und zu entscheiden, womit wir uns überhaupt beschäftigen und innerhalb dieser Themen eine Reihenfolge festzulegen, steht unter ständigem Druck, denn es kommen täglich mehr Themen auf den Tisch, mehr Informationen, mehr Einzelheiten, mehr Anforderungen.
Die Kunst besteht darin, zu entscheiden: Was ist wirklich wichtig? Was ist jetzt wichtiger als etwas anderes? Welchen Themen will, muss, werde ich mich jetzt widmen, welche müssen hinten anstehen?
Nach dieser Entscheidung hat das Querlesen, das Überfliegen keinen Raum mehr. Es ist eine Täuschung, wenn wir meinen, wir würden durch das „Scannen“ von Zeilen, das „Skippen“ ganzer Absätze die erforderliche Tiefe für einen wirklich wichtigen Sachgegenstand erlangen. Es ist Selbstbetrug. Unwichtige Dinge „querzulesen“, das geht in Ordnung. Eine Zeitung erst einmal von den Überschriften her zu sichten, auch. Das ist übrigens ein Effizienztipp von mir. Lesen Sie erst die Überschrift, wenn das Thema interessant erscheint, den letzten Absatz (oder die letzten Absätze) und wenn es dann immer noch interessant ist, den ganzen Artikel, aber den dann wirklich und nicht „quer“.
Aber strategische unternehmerische Konzepte? Aufträge? Angebote? Querlesen hilft keinem weiter. Nichtlesen ist in Ordnung, Tieflesen ist in Ordnung, Querlesen nicht. Auch bei Konzepten kann es sein, dass sich manche Abschnitte weniger lohnen als andere. Aber dann artikulieren Sie das auch: „Kapitel 1 bis 3 habe ich nicht gelesen, mit Kapitel 4 habe ich mich intensiv auseinandergesetzt.“ Das ist fair und gaukelt nicht vor, etwas sei hinreichend gewürdigt worden. Wenn Sie dann hören: „Ich möchte Sie bitten, nochmal in Kapitel 2 intensiv hineinzuschauen“, ist das auch eine Hilfe.
Jawohl, Voraussetzung ist, dass die Qualität des Dokuments, dem Sie sich widmen, hoch ist. Aber wenn sie das nicht ist, muss es eben noch einmal in eine Schleife. Auch das ist eine klare Aussage.
Wenn bei Ihnen Konzepte gefordert werden, dann helfen Sie sich, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Ihrem Unternehmen, indem Sie sich verabreden, sich kurzzufassen und das Vorgelegte auch wirklich zu lesen.
… und streichen Sie „querlesen“ und „überfliegen“ in Bezug auf das Verarbeiten geschriebener Informationen aus dem Unternehmenswortschatz.
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle