Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 687: Perfektionieren oder revolutionieren?
Im sehr empfehlenswerten Digital-Newsletter der FAZ stieß ich kürzlich auf einen Satz, der diesem Wochenstart den Spin gibt. Doch der Reihe nach: Es ging im Kern darum, welche KI-Pläne und -Erfolge einige der großen Mitspieler im Markt haben. Gelobt wurden zum Beispiel Google, Microsoft und openAI. Wussten Sie übrigens, dass openAI mit ChatGPT einen jährlich wiederkehrenden Umsatz (ARR, Annual Recurring Revenue, das ist eine der wesentlichen Messgrößen bei SaaS-Unternehmen) von 10 Milliarden Dollar verzeichnet? Nicht schlecht für ein Unternehmen, das vor einigen Jahren noch gar keinen Umsatz machte, oder?
In der Beurteilung der KI-Entwicklungen kam ein Unternehmen besonders schlecht weg, nämlich Apple. Zitat aus dem Newsletter: „Die Zweifel wachsen, ob Apples vorsichtige Strategie, KI mit kleinem Budget selbst zu entwickeln, aufgeht. In einem Markt, dessen Halbwertszeit auf sechs Monate geschrumpft ist, wirkt diese Vorsicht gefährlich: Wer lediglich perfektioniert, während andere revolutionieren, riskiert den Abstieg in die zweite Liga der KI-Ökonomie.“
„Wer lediglich perfektioniert, während andere revolutionieren, riskiert den Abstieg …“ Dieser Satz hat mich nachdenklich gemacht. Er trifft nämlich weitaus nicht nur auf die rasante, schnelllebige KI-Wirtschaft zu, nein, er trifft in allen Geschäftsmodellen zu. Der einzige Unterschied ist die Geschwindigkeit der „Revolution“. Wachstum kann nicht von permanenter Optimierung, Kleinverbesserung, Perfektionierung allein leben. Ja, es bedarf auch der Verbesserung des Bestehenden, aber für gesundes profitables Wachstum bedarf es unserer Überzeugung und Erfahrung zufolge auch der „Revolution“, im metaphorischen Sinn.
Manchmal müssen Geschäftsbereiche weg, andere vielleicht hinzu. Manchmal gehören Prozesse nicht optimiert, sondern ausgelagert oder abgeschafft. Produkte? Wann haben Sie Ihre Produktpalette zuletzt hinterfragt? Unserer Erfahrung zufolge kann in den meisten Unternehmen ein Viertel bis ein Drittel der Produkte ersatzlos entfallen, mit positiver Wirkung, nicht nur auf die Kosten, sondern auf den Umsatz. Das sind kleine „Revolutionen“ in bestehenden Märkten.
Mit einem unserer Klientenunternehmen haben wir gemeinsam in einer sehr intensiven strategischen Arbeit unter anderem herausgearbeitet, dass das Stammprodukt dieses Unternehmens, das allererste Produkt, künftig nicht mehr angeboten wird. Mit den geschäftsführenden Gesellschaftern eines anderen Familienunternehmens haben wir seinerzeit erkannt, dass einer von zwei Sortimentsbereichen ersatzlos entfallen wird. Projekt geplant, umgesetzt. Gesagt, getan. Das ist auch „Revolution“, im positivsten Sinne. Das sei nur Optimierung, meinen Sie? Nun, fragen Sie die Mitarbeiter und die Kunden, die sehen das nämlich ganz anders.
Revolutionieren oder perfektionieren? Alles zu seiner Zeit, natürlich. Aber das reine Feintuning bringt uns nicht weiter. In der KI-Wirtschaft sicher nicht, da ist man angesichts der Geschwindigkeit der Entwicklung auch stets sensibilisiert, in der „traditionellen“ Wirtschaft aber auch nicht. Die Balance zu halten zwischen dem Bewahren, dem Verbessern, dem Verwerfen und dem Erneuern, das ist die eigentliche Kunst bei der Gestaltung des Wettbewerbsvorteils.
Bewahren, verbessern, verwerfen, erneuern: Wie gut sind Sie in diesen Feldern balanciert?
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle