Wachstum und Technologie – Ein Interview mit Dr. Gero Presser
Wachstum und Technologie – Ein Interview mit Dr. Gero Presser
Mandat: Was ist Ihre zentrale Kernerkenntnis aktuell: Was empfehlen Sie insbesondere dem gehobenen Mittelstand zu tun? Wo gilt es auf- oder umzurüsten?
Dr. Gero Presser: Wir unterstützen eine Reihe von Konzernen und mittelständischen Unternehmen und Organisationen im deutschsprachigen Raum bei IT-Projekten, vornehmlich zu Data & Analytics sowie individuellen Lösungen. Vor diesem Hintergrund ist eine zentrale Erkenntnis, dass der Umzug in die Cloud eine echte Zäsur darstellt und an den Fundamenten der IT-Infrastruktur wackelt. Auf den ersten Blick mag man denken, dass sich nur der Ort ändert, an dem die Server stehen auf denen Anwendungen laufen. Schaut man genauer hin, merkt man, dass in der Cloud geborene Anwendungen einen viel tiefgreifenderen Wandel bedeuten: angefangen vom Entwicklungsparadigma über das Produktmanagement bis hin zu Verbesserungszyklen und der Skalierbarkeit ändert sich alles.
Wichtig ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass auch in traditionellen Branchen die Produkte immer häufiger um digitale Zwillinge oder digitale Ergänzungsprodukte angereichert werden und wir gleichzeitig in Deutschland tendenziell der Cloud lange Zeit eher skeptisch gegenüberstanden. Mir scheint wichtig, dass wir den Anschluss behalten und verstehen, welchen fundamentalen Unterschied die Cloud mit sich bringt.
Mandat: Was geht heute, was noch vor wenigen Jahren nicht möglich war? Wie hilft IT dabei Verschwendung zu reduzieren?
Dr. Gero Presser: Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels aus der Cloud illustrieren, um den Bezug zu meiner ersten Antwort herzustellen.
Viele werden sich noch an den „Big Data Hype“ erinnern. Hier sind viele große Organisationen aufgesprungen und haben sogenannte Hadoop-Cluster aufgesetzt, letztlich Ansammlungen von Computern, die mit Hilfe von spezifischer Software hervorragend für die parallele Bearbeitung großer Datenmengen geeignet sind.
Tatsächlich ist kaum eine solche Umgebung „live“ gegangen, kaum ein Anwendungsfall hat es von dem prototypischen Zustand in den Realbetrieb geschafft. Zunächst wurden die Möglichkeiten überschätzt, die Herausforderungen unterschätzt und letztlich haben sich die Investitionen in die eigene Infrastruktur nicht ausgezahlt.
Heute ist die Situation fundamental anders. Kaum eine Organisation würde diese Art Infrastruktur noch selbst aufsetzen, die allermeisten Unternehmen verwenden fertige Big Data Lösungen aus der Cloud. Neben der erheblich besseren Zugänglichkeit und kontinuierlichen Verbesserung skalieren diese Lösungen nach Bedarf: sie bezahlen für die Speichermengen und Prozessorleistung, die sie benötigen und können dies auch dynamisch dimensionieren.
Sollten Sie zum Beispiel kurzfristig ein komplexes, künstliches Neuronales Netzwerk trainieren wollen, können Sie für diesen Zeitraum auf fast unendliche Rechenkapazitäten zugreifen und den Vorgang entsprechend beschleunigen. Ist das Netzwerk trainiert, endet diese Bedarfsspitze und entsprechend sinken die Kosten.
Ein wenig vergleichbar ist dies mit einem Stromanschluss und der Abrechnung nach Verbrauch. Unternehmen müssen die Kapazitäten eigener IT-Infrastruktur nicht an schwierig zu planenden Lastspitzen ausrichten sondern konsumieren Rechenleistung und Speicherplatz gemäß des jeweiligen Bedarfs.
Letztlich reduziert dies die Verschwendung: Durch das Pooling der Bedarfe gleichen sich Spitzen wechselseitig aus und der Gesamtbedarf ist geringer als die Summe der (an den individuellen Spitzen ausgerichteten) Einzelbedarfe. Zudem sind die großen Cloud-Anbieter aufgrund des klaren Fokus und von Skalierungseffekten extrem effizient im Betrieb ihrer Ressourcen, was letztlich ebenfalls die Verschwendung reduziert.
Mandat: Was bedeutet intelligentes Wachstum für Sie?
Dr. Gero Presser: Im ersten Moment fällt mir Nachhaltigkeit ein, also nachhaltiges Wachstum als intelligentes Wachstum. Allerdings würde ich es auf den zweiten Blick gerne etwas verallgemeinern: Aus meiner Sicht ist Wachstum intelligent, wenn man mit dem Wachstum einen realistischen Plan verfolgt, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Diese Verallgemeinerung scheint mir wichtig, da es auf dem Wachstumskurs auch Etappen gibt, die unangenehm und kurzfristig betrachtet sogar ggf. nicht nachhaltig sind, aber einem größeren Ziel dienen.
Auf Unternehmen gemünzt, hat man viele Beispiele von mutigen Startups gesehen, die über viele Jahre hinweg stark gewachsen sind und erst ab einer kritischen Masse wirklich ein nachhaltiges und letztlich profitables Geschäft erreicht haben.
Mandat: Was hat Sie bewogen QuinScape zu gründen?
Dr. Gero Presser: Wir haben QuinScape 2001 gegründet mit dem Ziel, unser Arbeitsumfeld und das Miteinander aktiv zu gestalten und nach unseren Wünschen zu prägen. Schon vergleichsweise früh haben wir auf eine Kultur gesetzt, die neben Kompetenz auch uns am Herzen liegende Werte wie Loyalität, Offenheit und Freude in den Vordergrund rückt.
Wenn alles gut läuft, sagen Kunden nach Projekten mit uns, dass alle Projektziele erreicht wurden, das Ganze vor allem aber auch noch als i-Tüpfelchen Spaß gemacht hat. Natürlich färbt das auch auf uns alle ab, unser Ziel ist, Freude an unserer Tätigkeit und dem Miteinander mit den Kollegen zu haben.
Diese Werte und Kultur sind tatsächlich weitaus stabiler geblieben als die konkreten Dinge, die wir tun – wir haben unseren Fokus sukzessive von reiner Java-Individualentwicklung auf das Thema Data & Analytics verschoben. Technik lernen wir vergleichsweise schnell und können uns anpassen, die Kultur ist hingegen über die ganze Zeit konstant geblieben und ändert sich nur marginal, zum Beispiel um auf mittlerweile 175 Mitarbeiter zu „skalieren“.
Mandat: Was ist Ihnen das wichtigste für die Führung Ihres Unternehmens?
Dr. Gero Presser: Uns ist wichtig, diese Kultur auch in unserer nächsten Wachstumsphase beim Aufbau einer Gruppe zu bewahren.
Dr. Gero Presser
Bei QuinScape verantwortet Gero Presser das Projekt- und Consultinggeschäft rund um die Themen Reporting & Analytics (TIBCO Jaspersoft/Spotfire), Big Data & Integration (Talend) sowie Digital Workplace (Intrexx). Zugleich ist der zweifache Familienvater und begeisterte, wenn auch viel zu seltene Skifahrer ein Blockchain Enthusiast erster Stunde und Social Media-Vorreiter: Dort steht er im aktiven Austausch mit über 10.000 Menschen aus dem global vernetzten IT-Bereich zu innovativen Themen und Entwicklungen.