CEO-Tipp des Monats April 2019: „Führung als Nebenbei-Aufgabe“

Ganz davon abgesehen, dass immer irgendjemand daher kommt, der uns erzählen will, dass sich „Führung“ dramatisch ändert – oft, um unwirksame Seminare zu verkaufen –, sind wir uns wohl einig darüber, dass „Führung“ eine wesentliche Wachstumsrolle zukommt.

Gut und schlecht geführte Unternehmen erkennt man sehr rasch, selbst wenn man nicht über Interna verfügt.

Man erkennt sie am Umgang mit dem Kunden in der Anbahnungsphase, in der Beratung, im Verkauf, im Umgang mit Reklamationen. Man erkennt sie am Umgang mit Kommunikation im Krisenfall. Man erkennt sie an der Über- einstimmung versprochener und tatsächlich eingetretener wirtschaftlicher Resultate. Es fällt uns also relativ leicht, gut und schlecht geführte Unternehmen zu identi zieren. An der Spitze der Unternehmenspyramide – oder im Zentrum der zyklisch organisierten Unternehmung, wie auch immer Sie es sehen wollen – wird in der Regel immer wieder betont, wie wichtig gute Führung sei.

Die Frage ist aber: Wie ernst wird diese sozial erwünschte Haltung denn genommen, wenn es hart auf hart kommt? Etwas, das sich gut anhört, wird als Platitüden entlarvt, wenn es mehr Ausnahme- als Regelfälle gibt. Schauen wir uns Unternehmen zum Beispiel in der Zeit einer wirtschaftlichen Anspannung an, stellen wir fest, dass Führung häufig aus Kostengründen geopfert wird. Führungskräfte werden entlassen und entweder hatten diese Mitarbeiter tatsächlich bereits zuvor keine wachstumswirksame Aufgabe, so dass man den Verlust nicht bemerkt – was für vorherige schlechte Führung spricht – oder die verbleibenden Führungskräfte erhalten mehr Aufgaben und eine größere Führungsspanne.

Hier wird es spannend, denn eine größere Führungsspanne, also eine größere Anzahl direkt zu führender Mitarbeiter, im Englischen „direct reports“, bedeutet auch, dass sich die Führungskraft diesen Mitarbeitern widmen muss. Unter der Annahme, dass sie zuvor bereits nicht in der Hängematte lag, sondern mit wertschöpfenden Aufgaben betraut war und unter der weiteren Annahme, dass sich an den bisherigen Aufgaben nichts ändert, muss die Führungskraft mehr in der gleichen Zeit oder mehr in mehr Zeit schaffen.

Hinzu kommt – und das ist ein Kernpunkt –, dass die meisten Führungskräfte nicht nur „Führung“ als Aufgabe haben, sondern auch Fachaufgaben, die direkt wertschöpfend sind, wo ihre Erfahrung als Experte gefragt ist. Insbesondere in mittelständischen Unternehmen, aber selbst in großen Konzernen, ist dies die Regel und das ist grundsätzlich auch in Ordnung, weil eine Führungskraft sich so nicht dem Vorwurf aussetzen muss, sie hätte keine Ahnung vom operativen Geschäft.

An dieser Stelle lauert dennoch eine Gefahr, denn die operativen Aufgaben sind stets „lauter“, dringender. Führung ist – analog zu „Strategie“ – leiser, nicht so dringend. Führungsthemen, wie die Unterstützung eines Mitarbeiters bei der Vorbereitung auf den nächsten Karriereschritt, die Entwicklung eines Fachexperten zum Senior-Fachexperten, Führungsgespräche zur Talentfindung und – entwicklung, all diese Themen rufen nicht direkt „kümmere Dich um mich“. Wenn aber ein Kunde ein Problem hat, wenn ein internes dringendes Problem auftritt, die nächste Beirats- oder Aufsichtsratssitzung ansteht, dann gilt es, zu handeln.

Führung ist keine „Nebenbei-Aufgabe“.

Es ist Aufgabe der Unternehmensleitung, dafür Sorge zu tragen, dass Führungskräfte nicht nur so genannt werden, sondern auch den Raum und die Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass Führungskräfte ausschließlich führen müssen, aber es bedeutet eben auch nicht, dass sie in ihrer Sacharbeit ertrinken, obwohl sie gut organisiert sind und Führung nebenbei machen, denn dann gerät Führung zur Farce.

Viel schlimmer: Die Wirkung, die Führung eigentlich erzielen soll, nämlich das Unternehmen zu stärken, Talente zu finden, zu entwickeln und zu binden, um gesund zu wachsen, bleibt aus. Eine Kernfrage ist es, die wir mit der Unternehmensführung in gemeinsamen Projekten oft besprechen: Was ist das Ziel von Führung bei uns und woran messen oder erkennen wir, dass Führung bei uns funktioniert? Daraus leiten sich weitere Fragen und Schlüsse zielgenau ab.

© 2019, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.
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