Ich? – Nein!
Wir beobachten in unseren Beratungsprojekten immer wieder, dass Führungskräfte sich über die mangelnde Performance einiger ihrer Mitarbeiter beklagen. Termine werden verschleppt, versprochene Ziele werden nicht eingehalten, verabredete Regeln werden nicht beachtet. An Erklärungen und Ausreden mangelt es nicht.
Meist nur Korrektur möglich
Ja, es gibt Mitarbeiter, die ihrer Aufgabe teilweise (mitunter sogar generell) nicht gewachsen sind. Dies stellt sich aber meist erst heraus, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Es bleiben dann nur noch korrigierende Maßnahmen übrig: Mehr Manpower, um die Termine doch noch einzuhalten, Adjustierung der Ziele und Überkompensation durch einen anderen Bereich, Reparatur des durch den Regelverstoß entstandenen Schadens.
Lieber vorbeugen
Das gemeinsame Durchdenken von Aufgaben und Zielen zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern gehört zu den elementaren Aufgaben der Führungskraft. Delegation by „über-die-Mauer-werfen“ funktioniert nicht und dauerndes Praktizieren desselben macht es nicht besser. Es ist die Aufgabe der Führungskraft, herauszufinden, ob Mitarbeiter einer Sache gewachsen sind, oder nicht. Die Mitarbeiter werden im Zweifel immer „ja“ sagen, wenn sie eine neue Aufgabe anvertraut oder eine neue Position angeboten bekommen weil sie eine Chance sehen, persönlich zu wachsen und / oder sie sich nicht trauen, „nein“ zu sagen, weil sie die Konsequenzen scheuen.
Die Führungskraft als Teil des Problems
„Ich? Nein!“ ist eine der häufigeren Antworten, wenn ich Führungskräfte frage, ob sie sich vorstellen können, selbst Teil des von ihnen erkannten und zutiefst monierten Problems mangelnder Mitarbeiterleistung sein zu können. Aufgeschlossene Vorstände und seniorige Führungskräfte, die ich dies frage, entgegnen mit einem interessierten „Wie meinen Sie das?“
In der tieferen Erörterung des Themas tritt meist eines der folgenden Muster zutage:
- Die Führungskraft hat sich bereits seit geraumer Zeit nicht mehr außerhalb des Jahresgespräches mit ihren Mitarbeitern persönlich auseinandergesetzt.
- Die Führungskraft ist durch operativen Druck so getrieben, dass die Dinge einfach vorangebracht werden müssen, wie auch immer.
- Belohnungssysteme fördern Verhalten, das eigentlich nicht erwünscht ist und sorgen nicht dafür, dass die tatsächlichen Ziele gefördert werden.
- Führung konzentriert sich zu sehr auf die Gruppe, als auf das Individuum
- Die Führungskraft kann sich angesichts fachlicher Aufgaben kaum auf das Führen konzentrieren – im Unternehmen gilt: „Führung macht man ‚so mit’“.
- Die Ziele, Inhalte und Aufgaben sind tatsächlich unangemessen.
- Der Personalabteilung wurde zu viel Macht bei der Auswahl neuer Mitarbeiter zugestanden.
In allen obigen Fällen ist die Führungskraft Teil des von ihr bemängelten Zustands. „Good news – bad news“ … Erst die gute Nachricht: Die Führungskraft ist es, die die Dinge ändern kann – schlechte Nachricht: Sie kann diese Änderung nicht delegieren; Verhaltensänderung ist gefragt.
Gute Nachricht Nummer Zwei: „Ich? Nein.“ kommt nach der Änderung viel seltener vor und wird auch viel seltener toleriert. Persönliches Wachstum mündet in das Wachstum des Unternehmens.
Ihr Guido Quelle
(c) 2011, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH