Mandat Wachstums-Wochenstart® Nr. 595: Sparen? Undenkbar!

Irgendwann im Juli dieses Jahres, ich denke, es muss am 17. Juli gewesen sein, erschien aus der Feder von Heiko Zwirner in der WELT ein Beitrag über das „exklusivste E-Auto der Welt“, ein Beitrag über den Rolls-Royce Spectre. 584 PS, 5,50 Meter in der Länge, in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Normreichweite: 500 Kilometer. Die verwendeten Materialien sind massiv, das Auto wiegt 2,9 Tonnen. Der Preis? Mindestens 390.000 Euro.

Das Auto zieht, dem Bericht zufolge, nicht so „brachial“ an, wie normale Elektroautos. Es musste 2,5 Millionen Testkilometer abspulen und einen Champagnertest bestehen: Von der Beschleunigung bis zum Stillstand muss ein volles Champagnerglas voll bleiben. Wurde der Test früher noch real durchgeführt, sind inzwischen digitale Simulationshelfer zur Stelle. Rolls-Royce hat die „Waftability“ erfunden, die eine Gleitfähigkeit beschreiben soll, eher yacht- als kraftfahrzeugähnlich. Brachiale Gewalt ist Rolls-Royce Sache nicht.

In dem Artikel wird Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös gefragt, was Rolls-Royce denn getan habe, um Gewicht zu sparen, angesichts der Schwere von fast drei Tonnen. Die Antwort des Chefs wird in Zwirners Beitrag wie folgt wiedergegeben: „Sparen? Sparen ist ein Wort, das im völligen Widerspruch zur Philosophie von Rolls-Royce steht. Wir machen keine Kompromisse. Wir wären doch verrückt, das aufzugeben, was uns groß gemacht hat.“

„Wir wären doch verrückt, das aufzugeben, was uns groß gemacht hat“. Sie müssen das nicht mögen. Sie müssen keinen Rolls-Royce mögen, Sie können einwenden, dass das alles Irrsinn ist, dass es nicht zeitgemäß ist, dass niemand so ein Auto braucht, dass man sehr wohl sparen könne und so fort. Wir können über alles reden.

Aber: Hand aufs Herz. Ist das nicht die vollständige Strategiekompatibilität? Wer würde Rolls-Royce mit „sparen“ in Verbindung bringen? Eben. Natürlich werden die Ingenieure und Controller auch auf die Kosten schauen, denn ein Auto zu verkaufen ergibt nur dann Sinn, wenn man damit auch Gewinn macht. Aber bei den kundenrelevanten Dingen, bei den Dingen, die der Kunde sieht, riecht, fühlt, erfährt, da wird nicht gespart. Die Kunden, die einen Rolls-Royce fahren, wollen kein Pappmaché im Innenraum, sie wollen das Maximale, was geht. Sparen? Undenkbar.

Ich nenne das konsequent. Rolls-Royce dient in vielen unserer Vorträge als Leistungsführer-Beispiel, weil es sich hier wirklich lohnt, „Leistungsführer“ im Sinne von Individualität, Hochwertigkeit und Preis zu nennen. Ich kenne hingegen viele Unternehmen, die zwar behaupten, sie seien Leistungsführer, die aber dann doch hier und da etwas abknapsen, doch ein wenig mehr auf mögliche Sparmaßnahmen schauen (der Kunde merkt es ja nicht – doch, er merkt es!) und die sich damit selbst etwas vormachen. Entweder ich bin Leistungsführer oder nicht. Entweder ich strebe es an oder nicht. Wachstum lässt sich nicht ersparen, schon gar nicht als (potenzieller) Leistungsführer.

Schneiden wir uns in puncto strategischer Konsequenz vielleicht alle eine Scheibe von Rolls-Royce ab, unabhängig davon, ob wir die Autos mögen oder nicht.

Auf eine gute Woche!

Ihr und Euer

Guido Quelle