Unternehmenslenker stehen, unabhängig davon, ob sie als Unternehmer an dem von ihnen geführten Unternehmen beteiligt sind oder als extern berufener Geschäftsführer oder Vorstand nicht, vor einer täglichen Vielfalt und Vielzahl erforderlicher Entscheidungen. Addiert man den überwiegend als steigend empfundenen Zeitdruck, kommt ein erhebliches Druckpotenzial zustande, das schon Basis für manche Fehlentscheidung war. Nun sind Fehlentscheidungen nicht per se vermeidbar, aber nicht selten entstehen sie durch einen simplen Fehler, der sich nicht nur im Nachhinein erkennen lässt, sondern der in der Entstehung erkennbar und damit vermeidbar wird.
Sie möchten wissen, welcher Fehler dies ist? Gern: Es ist das zu schnelle Abgleiten in das „Wie“ einer Angelegenheit. Diejenigen von Ihnen, die mit uns schon eine Weile arbeiten, kennen unsere scherzhaft „Die Weltformel“ genannte Methode, in der wir darauf hinweisen, dass zunächst das „Ob“ einer Sache geklärt werden muss, dann das „Was“, dann erst das „Wie“. Es ergibt keinen Sinn, sich darüber zu ergehen, wie man die Integration eines möglichen übernommenen Unternehmens vollziehen möchte, wenn man noch gar nicht geklärt hat, ob überhaupt eine Übernahme stattfinden soll. Wenn man aber zu schnell ins „Wie“ abgleitet, verzettelt man sich in den Einzelheiten, sucht weitere Belege für seine Position, verschiebt Entscheidungen, es wird zusätzlicher Druck aufgebaut, weil sich immer mehr zu entscheidende Themen ansammeln, irgendwann wird unter künstlich entstandenem Zeitdruck entschieden – und das leider zu oft falsch. Wenn das „Wie“ das „Ob“ übertönt, kommt meist nichts Gutes dabei heraus.
Ein mit der „Weltformel“ korrespondierendes Element ist die Frage nach dem „Warum“ einer Sache. Auch hier erlaube ich mir, insbesondere denjenigen Unternehmenslenkern unter den Lesern, die mit uns schon das eine oder andere Mal im Rahmen einer Wachstumsinitiative gearbeitet haben, den Hinweis zu geben, dass wir immer wieder zu Beginn von Projekten – nach sachlicher Beschreibung der Ausgangssituation – nach dem Zweck des Projektes fragen und jener Zweck ist nichts anderes als die Antwort auf die Frage „Warum soll dieses Projekt stattfinden?“. Gibt es keine gute Antwort auf das Warum, ist es besser, ein Projekt nicht stattfinden zu lassen. Ja, ich weiß, man kann immer irgendeine Antwort auf das Warum finden, aber wenn man ehrlich ist, wird man sehr wohl erkennen, ob es sich um eine Alibi-Antwort oder um ein wirklich wichtiges Warum handelt. Das „Warum“ ist das wichtigste Element, um über das „Ob“ zu befinden.
Spinnen wir den Faden weiter, ist es nicht nur bei größeren Projekten, zum Beispiel bei Wachstumsinitiativen, sondern bei jeder Aktivität, die begonnen wird, wichtig, das Warum als Filter zu nutzen. Warum tun wir Dinge so, wie wir sie immer getan haben? Warum setzen wir Prioritäten auf eine bestimmte und nicht auf eine andere Art und Weise? Warum unternehmen wir etwas?
Hier geht es nicht um Rechtfertigung und, jawohl, das ist eine Gefahr bei der Frage nach dem Warum. Aber sehen wir es einmal sachlich, als Frage aus Neugierde, als Suche nach einem Grund, dann stellen wir fest, dass das „Warum“ Antworten liefert, die vielleicht nicht bequem, aber mindestens erhellend ist und nicht selten auch einen grundlegenden
Wandel einleiten kann.
Ich hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit, mich mit Dan Pink, der früher Al Gores Reden geschrieben hat und der heute Bestsellerautor, begnadeter Schriftsteller und inspirierender Redner ist, ausführlich am Rande eines Meetings in Florida auszutauschen und wir waren uns einig darüber, dass diese Warum-Frage Gold wert ist. Dan hat auch einen konkreten, praktischen Vorschlag dazu: „This week have two fewer conversations about ‚HOW‘and two more about ‚WHY‘.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Warum auch?
© 2017, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York. ***
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