Mandat Wachstums-Wochenstar® Nr. 471: Von Toleranz, Akzeptanz und Horizont
Mitte der 1980er Jahre habe ich mich dazu entschlossen, eine Ausbildung zum Funkamateur zu absolvieren – nein, nicht zum CB-Funker, dafür braucht man keine Ausbildung, sondern zum lizenzierten Funkamateur und es heißt „Funkamateur“, nicht „Amateurfunker“. Ich habe monatelang jede Woche den Kurs besucht, gebüffelt – Elektrotechnik (wir dürfen Funksender für die für uns freigegebenen Frequenzen selbst bauen und testen), Telekommunikationsrecht, Betriebstechnik, Morsetelegrafie (die übertragungsstabilste Form der Kommunikation) – und so fort.
Am Ende stand eine Prüfung bei der Deutschen Post und ich war stolz, sie auf Anhieb – sowohl theoretisch als auch praktisch – bestanden zu haben. Nun hatte ich die Möglichkeit, weltweit mit meinem mir zugeteilten Rufzeichen DL8DBM auf Sendung zu gehen. Ich kaufte mir ein hochwertiges Funkgerät, das mein bescheidenes Studentenbudget bei weitem überstieg und eine Antennenausrüstung, installierte alles und ging in den Äther. Insbesondere die Kurzwelle hatte es mir angetan, denn dort waren Gespräche weltweit – je nach Funkfrequenz – zu fast jeder Tages- und Nachtzeit möglich. Auch an vielen Funkwettbewerben nahm ich teil, allein und auch in unserem Club.
Die weltweiten Gespräche, die ich führte, waren oft einmalig und man „traf“ sich nicht wieder, nicht selten sprach ich aber auch wiederkehrend mit Gesprächspartnern, mit denen ich mich verabredete, zu einer bestimmten Uhrzeit auf einer bestimmten Frequenz.
Wir kannten uns meist nicht persönlich, uns verband das gemeinsame Interesse des Funkbetriebs und manches Mal entdeckte ich im Gespräch mit einer mir fremden Person, dass wir sogar weitere gemeinsame Interessen hatten.
Im Rahmen meiner sehr aktiven Zeit als Funkamateur sprach ich mit vielen Menschen weltweit, aus der ehemaligen DDR, aus der ehemaligen UdSSR, aus Südamerika, Afrika, Asien, sogar Menschen aus Ländern, die miteinander im militärischen Konflikt lagen, kamen zusammen, ich hatte Kontakt zu Mitgliedern von Königsfamilien, zum Beispiel aus Jordanien und zu mancher bekannten Person, die auch Funkamateur ist oder war. Funkamateure tauschen sogenannte „QSL-Karten“ aus, die den Funkkontakt bestätigen und über eine internationale Vermittlung ausgetauscht werden, daher blicke ich auch heute noch auf die vielen Hundert – inzwischen teilweise historischen – Dokumente.
Eines eint uns Funkamateure: Wir sprechen (in der Regel) nicht über Politik, nicht über Religion, wir tolerieren einander so, wie wir sind, wir akzeptieren, dass das Gegenüber vielleicht in einem Land lebt, das wir nicht betreten wollen würden und wir tauschen einander aus darüber, was das Land ausmacht, über Hobbies, die uns verbinden, über neue technische Entwicklung.
Ich bin lange nicht mehr auf der Kurzwelle unterwegs gewesen, obwohl ich das Gerät von damals ebenso noch besitze, wie ein modernes Gerät der gleichen Marke, das auch ins Wohnmobil passt. Aber der Gedanke der Vielfalt, der Toleranz, der Akzeptanz und die damit verbundene offene Erweiterung des Horizonts, die ist mir immer noch stets präsent und ich bin sicher, dass meine Aktivitäten als Funkamateur wesentlich dazu beigetragen haben.
Wünschen würde ich mir, dass wir alle in der Gesellschaft wieder (oder weiter) – wie die Funkamateure – mehr darauf schauen, was uns eint, als darauf, was uns trennt.
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle
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© 2021, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.
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