„Dezentral“ heißt nicht „alleine“
Viele Unternehmen freuen sich über die Vorteile, die darin liegen, eine dezentrale Organisation installiert zu haben. Tatsächlich bietet eine gelungene dezentrale Organisation zahlreiche Möglichkeiten, Wachstum in der Breite und in der Tiefe zu erzeugen, allein schon deshalb, weil ein Geschwindigkeitsvorteil gegenüber einem strikten Zentralmodell besteht. Auf der anderen Seite geht es ohne Standards aus der Zentrale, vor allem in Systemunternehmen, nicht. Überdies benötigt man wesentlich qualifiziertere Mitarbeiter in einer Organisation, die sich durch Delegation von Verantwortung in die Fläche auszeichnet, als in einer stark zentralisierten Organisation.
Insbesondere Franchiseunternehmen und franchiseähnliche Unternehmen (zumindest solche von hoher Qualität) sind häufig zwar durch eine hohe Zentralität seitens der Systemvorgaben gekennzeichnet, weisen aber eine ebenso hohe Verantwortungsdelegation innerhalb der Leitplanken in der Fläche auf. Schließlich sind am POS Unternehmer, die sich meist in einer gewissen Weise unter der schützenden Marke selbst verwirklichen und nicht nur ausführen wollen. Filialsysteme hingegen sind oft durch eine wesentlich stärkere zentral dirigierende Kraft gekennzeichnet. So wird beispielsweise von Aldi und anderen Discountern überliefert, dass Mitarbeiter an der Kasse jede (!) Reklamation anerkennen müssen, solange die vermeintlich verdorbene Flasche Champagner nicht zu einem großen Teil ausgetrunken wurde.
Schwierig wird es dann, wenn die Dezentralität als Alleinverantwortung missgedeutet wird. Wenn Vertriebsmitarbeiter, Franchise- oder Systempartner plötzlich beginnen, ein Eigenleben zu führen, ist das System gefährdet. Die Betonung in den obigen Ausführungen liegt nämlich auf „innerhalb der Leitplanken“. Wenn Mitarbeiter oder Partner plötzlich die Leitplanken ausdehnen, beginnt die Marke zu leiden. Es entsteht überdies Komplexität durch Sonderfälle. Man erkennt eine zunehmende Verwässerung oft daran, dass man in Managementmeetings beginnt, Ausnahmefälle zu regeln. Ein Alarmsignal.
Dezentral zu arbeiten bedeutet nicht, dass man allein auf der Welt ist. Dezentral zu arbeiten bedeutet, dass Verantwortung innerhalb gesetzter Leitplanken übernommen werden kann, darf und soll. Dezentral zu arbeiten bedeutet, sich mit den Standards aus der Zentrale auseinanderzusetzen und sie durchaus kritisch dem Marktbedarf gegenüberzustellen. Dezentral zu arbeiten bedeutet einen hohen Anspruch, anderenfalls wird die Marke dilutiert.
Entspricht Ihr System diesem Anspruch?
(c) 2013, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH