Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 691: Die AGB sehen das so vor

Kürzlich konnte ich eine kurze Reise nicht antreten. Ich wollte von einer Insel an Land, meine Schwiegereltern, die auch auf der Insel waren, zum Zug nach Berlin bringen und am Abend wieder auf die Insel. Tickets für mich und einen Hund waren schon lange gebucht, zum Normalpreis. Ein Infekt verhinderte, dass ich die Reise antrat und wir fanden eine Alternative für den Transfer meiner Schwiegereltern zum Zug, der Transfer nach Berlin gelang auch so bestens.

Noch am selben Tag bat ich die Fährgesellschaft um die Erstattung meiner beiden Tickets. Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich die Mitteilung erhielt, dass die Stornierung nur bis einen Tag vorher möglich gewesen wäre? Die AGB sähen dies so vor, überdies würde ich mich ja auch sehr spät am Tage melden. Ich wandte ein, dass ich erkrankt war und die Reise gar nicht hätte antreten können.

Keine Chance.

Man bedauere dies, man sei dankbar für unsere Kundentreue (wir sind mit der Gesellschaft in 20 Jahren sicher schon deutlich mehr als 50 Mal gefahren und haben noch nie so eine Anfrage gestellt), aber laut AGB … Sie wissen schon.

Einen Tag später: Man habe sich auch intern noch einmal besprochen und es sei wohl eher ein Fall für eine Reiserücktrittsversicherung, wenn ich dafür einen Beleg brauchen würde, könne ich ihn erhalten. Mit freundlichen Grüßen.

Ich antwortete, dass es mir nicht um den vergleichsweise geringen Betrag von unter 60 Euro, sondern um die Einstellung bezüglich des Kunden Quelle ging und dass ich dafür sicher keine Versicherung beanspruchen würde. Ich schrieb auch, dass die Angelegenheit damit für mich erledigt sei und ich die wichtigen Verwaltungsvorgänge der Gesellschaft nicht länger stören wolle.

Was wäre in unserem Unternehmen, was wäre bei Mandat mit einem solchen Fall passiert? Das kann ich Ihnen sagen: Es wäre eigenmächtig entschieden worden, den Betrag entweder zu erstatten oder auf die nächste Fahrt vorzulegen. Bei uns hätte dies auch nicht die Geschäftsführung zu entscheiden gehabt. Warum? Weil wir gesehen hätten, dass es sich um einen guten, ständigen Kunden handelt, der zweimal im Jahr hin- und zweimal im Jahr zurückfährt, mit bis zu vier Hunden, die zum etwa gleichen Fahrpreis wie Menschen fahren, oft mit Freunden oder Familie, die ohne den Kunden gar nicht auf die Insel kämen und dass es eine solche Anfrage noch nie gegeben hätte. Bei uns wäre der Fall noch am Tage des Bekundens erledigt gewesen. Mit positivem Erlebnis für den Kunden.

Reklamationen sind ebenso eine Chance zur Kundenbindung, wie Sonderfälle. Oder eben nicht. In diesem Fall: Nicht.

Wie hätte Ihr Unternehmen reagiert? Sind Ihre Mitarbeiter befugt, Entscheidungen im eigenen Ermessen, in gewissem Rahmen, unter kritischer Würdigung des Sachverhalts zu treffen, gegebenenfalls im Vier-Augen-Prinzip, um Wildwuchs vorzubeugen? Oder torpediert das Klammern an die AGB das sorgsam aufgebaute Kundenverhältnis?

Auf eine gute Woche!

Ihr und Euer
Guido Quelle