Schon beim Einsteigen in Boston am Samstag Abend war klar: Das wird knapp mit dem Anschlussflug von Frankfurt nach Düsseldorf am Sonntagmorgen, denn wir haben mehr als eine Stunde Abflugverspätung. Zwar versichern mir die sehr bemühten Flugbegleiterinnen in der First Class, dass es ein kurzer Flug würde, aber sieben Stunden bis zum Abflug des nächsten Fliegers, das würde knapp. So finden wir sicherheitshalber schon unterwegs Alternativen.
Kurz vor der Landung in Frankfurt, nach einem exzellenten Dinner und einem prima vierstündigen Schlaf, die gute Nachricht: Wir landen an Gate A45 und der Düsseldorf-Flieger würde ab A42 starten – nebenan, sozusagen. Trotzdem: Knapp, denn zwischen Landung und Abflug liegen nur 20 Minuten und ich muss ja noch zur Passkontrolle, offiziell einreisen.
Direkt nach Öffnen der Kabinentür, die Überraschung: Ein freundlicher Mitarbeiter des Lufthansa Bodenpersonals nimmt mich in Empfang, geleitet mich über eine Tür aus der Passagierbrücke über eine steile Wendeltreppe zu einer schwarzen Mercedes S-Klasse, die direkt unter der Boeing 747-800 parkt. Er erledigt selbst die Boarding-Formalitäten im Auto, fährt mich quer durch den Flughafen zur persönlichen Passkontrolle, zum Grenzschutz. Wir steigen an der Grenzkontrolle aus, gehen in einen Raum, wo zwei Grenzbeamte sitzen, die meinen Pass kontrollieren, ich gehe danach durch „Grün – nichts zu verzollen“ und sitze – schwupps – wieder im vor der Tür parkenden Auto.
Wir fahren quer über den Flughafen zur Vorfeldposition, wo mein Flieger steht. Wir kommen zeitgleich mit dem Bus an, ich steige aus dem Auto, bedanke mich herzlich, gehe die Treppe hinauf, setze mich auf 5F, wie geplant. Sensationell. Das Ganze hat vielleicht 10 Minuten gedauert und ohne diesen Service hätte ich es nie inklusive Passkontrolle in diesen planmäßigen Flieger geschafft. So sparte ich zwei Stunden Wartezeit. Nicht schlecht. Das machen wir jetzt bitte immer so.
Das war eine Top-Leistung der Lufthansa.
Können Sie noch? Es geht nämlich weiter:
Dummerweise hat mein Koffer es nicht so schnell in den Flieger geschafft und ich warte vergeblich in Düsseldorf auf mein Gepäck. Ok, dachte ich mir schon, Verlustmeldung aufgeben und nach Hause, wobei ich erst noch den American Express Valet Parking Service daran erinnern muss, dass ich möglicherweise draußen gerade wie avisiert auf mein Auto warte. „Was für ein Auto hatten Sie?“ „HAT–TEN???“ Es kam dann aber.
Den Tag über erhalte ich einige SMS über den Status meines Koffers. Er ist in Düsseldorf, durch den Zoll und liegt jetzt irgendwo herum. Ich rufe an, weil das Web-Portal nicht funktioniert. Nach 15 (!) Minuten in der Warteschleife, die ich nur deshalb ertrage, weil ich faul auf der Couch liege:
„Der Koffer ist in Düsseldorf und ist freigegeben, Herr Quelle.“
„Würden Sie auch erwarten, dass ein Koffer, den Sie verbummelt haben, noch heute die 70 Kilometer von Düsseldorf nach Dortmund schafft?“
„Nein, Herr Quelle, ich habe mich erkundigt, der kommt heute ganz sicher nicht mehr. Morgen oder schlechtestenfalls übermorgen.“
„Morgen oder ü—ber—mor–gen? Wie würden Sie das denn finden?“
„Ich kann das nicht kommentieren, das ist von Lufthansa so gewollt.“
„Wie bitte? Wie kann ich das beschleunigen?“
„Indem Sie den Koffer in Düsseldorf abholen.“
Großartig. Geradezu eine Riesenidee.
So schafft Lufthansa an einem Tag den Service-Spagat zwischen Extraklasse und Tiefgeschoss.
Die Lektion für uns in Sachen „Wachstum“ aus dieser längeren Geschichte? Wir müssen, müssen, müs–sen dafür Sorge tragen, dass alle Stufen der Wertschöpfung das gleiche gute Niveau haben. Es muss nicht bei jedem Extraklasse sein, aber es muss der Strategie entsprechen. Ein Discounter sollte keine großen Servicesprünge machen, ein Leistungsführer muss es tun. First Class bedeutet First Class, auch bei Reklamationen.
Wie sieht dies bei Ihnen aus? Ist sichergestellt, dass Ihre Servicelevel einheitlich gut sind entlang der Wertschöpfungskette?
Vielleicht hatten Sie ein wenig Freude an dieser etwas ausführlicheren Geschichte, ich hatte jedenfalls Freude am Verfassen.
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle
© 2017, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.
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