Facebook-Nomaden – Zukunft der Interaktion?
Vor kurzem, während einer meiner Vorlesungen, diskutierten meine Studenten und ich über die sinnvolle Verwendung von Zeit. Schließlich haben wir alle gleich viel davon an einem Tag, nämlich 24 Stunden. Der Satz „Ich habe keine Zeit“ ist falsch. „Ich möchte mir jetzt keine Zeit dafür nehmen“ oder „Ich habe gerade andere Prioritäten“ ist richtiger. Zeit haben wir alle: Besagte 24 Stunden und wir entscheiden über deren Verwendung.
In diesem Zusammenhang kamen wir natürlich auch auf das Thema „Soziale Netze“, „Internet“, „Facebook“. Viele meiner Studenten (und auch einige unserer Auszubildenden bei Mandat) verbringen, wie viele andere Menschen, am Tag mehrere Stunden auf Facebook. Die Gründe dafür sind vielfältig und müssen hier nicht diskutiert werden, aber die Implikationen aus diesem Verhalten sind noch spannender:
Wenn sich die soziale Interaktion wesentlich auf das virtuelle Miteinander in sozialen Netzen reduziert, oder sich zumindest die verfügbare Zeit für persönliche Interaktion durch virtuelle Interaktion wesentlich verringert, verringert sich auch die Chance zum direkten Dialog. Die Dialogfähigkeit aber ist ein wesentlicher Grundbaustein menschlichen Miteinanders.
Bei aller Virtualität, Trends zu virtuellen Organisationen, Home Offices, globalen Teams, usw. gilt doch, dass stets reale menschliche Interaktion erforderlich ist. Und diese muss geübt werden. Konfliktfähigkeit, angemessener Gebrauch der Sprache, Deutung nonverbaler Signale – all das spielt in der virtuellen Welt eine völlig untergeordnete Rolle. Wie aber soll sich eine künftige Führungskraft herausbilden, wenn nicht rechtzeitig die Grundsätze menschlicher – realer – Kommunikation erlernt werden?
In meiner genannten Vorlesung habe ich dann den Begriff der „Facebook-Nomaden“ geprägt und meine Studenten haben gelacht, weil sie genau wussten, was ich meinte. Es wird auch in Zukunft nur wenige Jobkategorien geben, die mit einer geringen persönlichen Interaktion auskommen; die meisten Berufe verlangen nach einer hohen sozialen und interaktiven Kompetenz. Also sind wir gut beraten, bereits den jungen Menschen zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, diese Kompetenzen zu erlangen. Wir sind ebenso gut beraten, ihnen bei der Erlangung dieser Kompetenzen zu helfen.
Und das geht sicher nicht auf Facebook.
Ihr Guido Quelle
(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH