Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 627: Verselbstverständlichung
Viele von Ihnen kennen meinen Satz „Der Luxus von heute ist der Standard von morgen“. Es ist ein Satz, der bestens zu Wachstum passt, denn Dinge, die heute noch mehr oder weniger fundamental neu, teilweise unverständlich und teilweise auch unerschwinglich, vielleicht sogar überflüssig erscheinen, werden über die Zeit normal und man möchte sie nicht mehr missen. Beispiele dafür? Rechter Außenspiegel am Auto, ABS, ESP, allerlei Helferlein beim Einparken, Funkverschluss, iPhone, Künstliche Intelligenz, digitale Buchungsmöglichkeiten, Smart Home, Liste kann bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortgesetzt werden.
Innovation ist ein Haupttreiber für Wachstum und wird von den Degrowth-Fanatikern gern und oft auch bewusst übersehen. Innovation schafft Fortschritt, wobei „Fortschritt“ erst einmal nur bedeutet, dass man fortschreitet. Ob das gut ist, wird die Zukunft zeigen. Viele Innovationen enden in einem Fortschritt in die falsche Richtung, doch das ist ein anderes Thema.
Mit der Zeit werden Dinge, Verfahren, Leistungen also selbstverständlicher. Sie integrieren sich in unseren Alltag. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von „Verselbstverständlichung“. Ich bin gar nicht sicher, ob es das Wort gibt, die Textverarbeitung erkennt es nicht, ich verwende es in Vorträgen. Wir verwenden es in der Beratung regelmäßig.
Verselbstverständlichung bedeutet im Rahmen der Integration in den Alltag, dass man Dinge, Zustände nicht mehr wahrnimmt, außer wenn sie eine Störung erfahren oder entfallen. Der rechte Außenspiegel wurde von einem Rowdy abgefahren? Wie soll ich jetzt die Spur wechseln? Das Smartphone ist kaputt? Wie soll ich weiterleben? ChatGPT funktioniert nicht mehr? Wie soll ich den Beitrag für morgen fertigbekommen (Spoiler: Es gibt noch Menschen, die selber Neues erzeugen).
Verselbstverständlichung bedeutet auch, dass wir ehemals neue Dinge weniger infrage stellen und damit kommen wir zum Kern des heutigen Wochenstarts:
Nur weil Dinge, Verfahren, Aspekte, Gewohnheiten selbstverständlich geworden sind, bedeutet dies nicht, dass sie auch auf Dauer bleiben müssen. Im unternehmerischen Kontext bedeutet dies zum Beispiel, für einen Zeitraum wichtige Abfragen in der Data-Analytics- oder BI-Umgebung zu löschen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, Meetingformate abzuschaffen, wenn der Zweck und das Ziel des Formats nicht mehr klar ist und Positionen im Unternehmen zu eliminieren, wenn nicht mehr klar ist, was der genaue Wertschöpfungsbeitrag ist.
Kundenbeziehungen müssen auf eine tragfähige Basis gestellt werden, wenn sie nicht mehr tragfähig sind, egal wie alt die Beziehung ist. Lieferantenbeziehungen dito. Das gesamte Produkt- und Angebotsportfolio muss regelmäßig hinterfragt werden. Reines Addieren ist unintelligent.
Das, wiederum, hat etwas mit Wachstum durch Weglassen zu tun und somit haben wir den Mehrklang aus Wachstum, Innovation, Verselbstverständlichung und Weglassen – ein Thema, zu dem ich in der vergangenen Woche auch ein Interview gegeben habe – hergestellt.
Welche Selbstverständlichkeiten sind es, die Sie am liebsten nicht mehr hätten?
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle