Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 670: Dekonstruieren
Wenn Sie sehen, dass jemand eine aus Ihrer Sicht komplizierte Leistung erbringt, fragen Sie sich dann manchmal: „Wie macht er das?“, „Wie hat sie das so hinbekommen?“ Dann geht es Ihnen, wie es vielen anderen auch geht. Beispiele dafür gibt es zuhauf: Ein Klavierspieler, der unfassbare Fingerakrobatik zeigt, eine Tennisspielerin, die den Ball aus dem letzten Winkel holt, nur um gleich den nächsten Ball aus dem nächsten entfernten Winkel zu holen, ein Autor, der sehr gute Bücher in hoher Frequenz schreibt und – ja, auch ein Berater, der aus einem komplexen Sachverhalt das Wesentliche extrahiert und daraus eine nachvollziehbare Projektstruktur in Kürze zaubert.
Mit Zauberei hat das natürlich wenig zu tun, sondern mit Erfahrung und vor allem mit Training, mit Übung. Fragt man dann diese Menschen, die man bestaunt, wie sie das hinbekommen, werden die meisten auch genau das antworten: „Mit Training, Übung, Erfahrung.“
Ich frage oft weiter, versuche zu verstehen, und das ist auch etwas, das wir in unseren Beratungsmandaten oft tun: Weiterfragen, nicht beim Offensichtlichen stehenbleiben, tiefer gehen, den Grund finden, Muster erkennen. Es geht darum, das herauszufinden, was als „tacit knowledge“ bezeichnet wird; ich glaube, es war erstmals Peter Scott-Morgan in „The Unwritten Rules of the Game“, der diesen Begriff nutzte. Das stillschweigende Wissen, das Wissen, das zu materialisieren meist schwerfällt, dies zum Ausdruck zu bringen und dadurch Lernen zu ermöglichen, das ist schwer.
Und … das ist genau die Aufgabe guter Führungskräfte, guter Berater und guter Trainer: Dieses Wissen zu artikulieren und weiterzugeben, nicht nur das Mystische weiter zu pflegen, sondern „tacit knowledge“ bei sich und bei anderen zu extrahieren und es besprechungsfähig zu machen.
Wir nennen dies auch, Wissen zu „dekonstruieren“, das Gesamte also einmal gedanklich auseinanderzunehmen, damit Teile lernbar werden und es dann wieder zu einem großen Ganzen zusammenzubauen. Ja, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, aber das gedankliche Dekonstruieren hilft ungemein. Wenn man wissen will, wie ein Motor funktioniert, dann schaut man sich die einzelnen Bestandteile, deren Funktionsweise und deren Zusammenspiel mitsamt den gegenseitigen Beeinflussungen an. Mit Wissen verhält es sich nicht anders.
Wo können Sie mehr in die Tiefe gehen? Was soll das Unternehmen als Wissen speichern und wo soll es dies speichern (kommen Sie mir bitte nicht mit einem Unternehmens-Wiki)? Was weiß Ihr Unternehmen, wenn die Mitarbeiter abends nach Hause gehen? Wie gelangt das Wissen aus den Köpfen in Routinen? Wie viel Zeit verwenden Sie darauf, diesen enormen Wertsteigerungsbeitrag zu heben?
Denken Sie einmal darüber nach – aber nicht zu lange.
Auf eine gute Woche!
Ihr und Euer
Guido Quelle