Singapur: Wachstum? Natürlich, was sonst?

Ich schreibe dies in einer Höhe von 35.000 Fuß in der Nase einer Boeing 777 kurz vor dem Dinner auf einem First Class Flug mit Singapore Airlines von Singapur nach Hongkong, wo wir unser jährliches Meeting mit Kollegen aus vielen Teilen der Welt haben werden. Der kurze Stopover (knapp 24 Stunden) in Singapur war lang genug, um lokale Einsichten in Sachen Wachstum zu bekommen.

Die Selbstverständlichkeit, mit der in Singapur mit Wachstum umgegangen wird, ist bemerkenswert. Selbstverständlich ist Wachstum auf der Agenda, selbstverständlich wird überall gebaut, selbstverständlich soll noch weiteres Land gewonnen werden, um den Stadtstaat zu erweitern und selbstverständlich ist man sich der Tatsache bewusst, dass weiteres Wachstum auch bedeutet, dass Kulturen, Religionen, Weltanschauungen miteinander vereint werden und die entstehenden Herausforderungen gemeinsam gemeistert werden müssen.

Ich habe selten – wenn überhaupt jemals – eine so saubere und tolerante Großstadt gesehen. Als wir unseren Private Guide, Anna Ong, fragten, wie sicher Singapur ist, antwortete Anna, dass Sicherheit etwas sei, das sie an Singapur besonders liebe: Man könne auch als Frau nachts um drei Uhr auf den Straßen sein, ohne dass etwas passiere. Das Gespräch auf die Jugend gelenkt, die in Singapur ausgebildet wird, sagte Anna, dass viele junge Erwachsene in Singapur blieben, unter anderem, weil es Chancengleichheit (und auch Bezahlungsgleichheit) gebe, unabhängig von Religion, ethnischer Abstammung, oder Geschlecht.

Auch die Umwelt steht auf der Wachstumsagenda, denn für jedes neue Gebäude müssen grüne Ausgleichsflächen geschaffen werden oder bestehen bleiben. Damit „Singaporians“ in Singapur bleiben, baut die Regierung fleißig (Hoch-)Häuser, innerhalb deren zu vergleichsweise erschwinglichen Preisen Wohnungen gekauft werden können. So kostet eine 3-Zimmer Wohnung mit ca. 65 Quadratmetern Fläche in einem solchen Haus etwa 150.000 Singapur-Dollar, umgerechnet also etwa 90.000 Euro, was angesichts des Preises auf dem Privatmarkt von etwa 750.000 SGD (450.000 Euro) geradezu ein Schnäppchen ist. Alle sieben Jahre werden die Häuser von außen renoviert, so dass sie attraktiv bleiben.

Die Freundlichkeit der Menschen, die Offenheit gegenüber Fremden, die Selbstverständlichkeit, mit der hier mit Wachstum umgegangen wird, finde ich beeindruckend und nachahmenswert. Im Übrigen klagt hier niemand darüber, dass man im Grunde genommen von wenigen Faktoren abhängig ist: Handel (Singapur hat die modernsten Hafenanlagen weltweit), Finanzen (nach London, New York und Hongkong ist Singapur der bedeutendste Finanzplatz der Welt), Tourismus.

Wir könnten uns in Europa in ganz verschiedener Hinsicht eine große Scheibe von der Singapur-Einstellung abschneiden. Hatte ich übrigens erwähnt, dass das Pro-Kopf-Einkommen etwa 50 Prozent über dem deutschen Vergleichswert liegt?

Auf das Wachstum!

(c) 2013, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.