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Die persönliche Sicht: Analysten- und Prognose-Fehler

Wenn es eines weiteren Belegs bedurft hätte, dass Analysten keine Zauberer sind und Prognosen oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie verfasst wurden, dann wurde er vor einigen Tagen präsentiert: Auf +0,1 Prozent wurde die Produktionssteigerung für Mai 2012 geschätzt. Tatsächlich betrug die Steigerungsrate im Mai 2012 aber +1,6 Prozent.

Warum sich ein solcher Irrtum einstellen kann? Weil Menschen nicht in die Zukunft sehen können, weil es keine Garantien für die Zukunft gibt, weil die Glaskugel, die uns die Zukunft vorhersagt, nicht existiert und weil sämtliche Prognoseversuche, unabhängig davon, dass die Werkzeuge besonders ausgefeilt sein mögen, unsicher bleiben.

Der Fehler sind auch nicht die Prognosen selbst, sondern der Fehler im System besteht darin, dass wir den Prognosen so hohen Glauben schenken. Wir müssen viel mehr darauf achten, situativ zu entscheiden, unseren gesunden Menschenverstand einzusetzen und – vor allem – uns von Prognosen nicht das Leben diktieren zu lassen.

Wie kann es sein, dass ein Unternehmens-Analyst zu einem „Sell“ kommt und ein anderer Analyst eine Aktie auf „strong buy“ setzt? Wie kann es sein, dass Ökonomen zu grundsätzlich unterschiedlichen Prognosen in Sachen „Europa“ kommen – im Übrigen ohne dabei eine Lösung vorzustellen, was Bundestagspräsident Norbert Lammert kürzlich kritisierte?

Wenn wir einsehen, dass wir nicht in die Zukunft sehen, sie – und das damit verbundene Wachstum – aber heute sehr wohl gestalten können, ist die Verantwortung für unser Handeln auch wieder ein Stück näher zu uns gerückt. Leider möchte das nicht jeder, bedeutet es doch möglicherweise einen etwas unbequemeren Weg.

Ihr Guido Quelle

(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH

Die persönliche Sicht: Vorsicht mit der Schlagzeilen-Mentalität

Zwei Informationen waren es in der letzten Woche, die mich zu diesem Blogpost veranlassen:

1. Ein Nachrichtensender meldete auf seiner Internetpräsenz, dass Angela Merkels Image „erste Kratzer“ erlitten hätte und dass ihr Vorsprung in den Umfragen vor ihren Konkurrenten der SPD, Steinmeier, Steinbrück, Gabriel, nun „abgerutscht“ sei.

2. Ein weiterer Nachrichtensender meldete – ebenfalls im Internet -, dass es mit dem Facebook Wachstum nicht mehr zum Besten stünde. Das „gigantische Wachstum“ des Umsatzes sei „vorbei“. Von „Wachstumsschwäche“ war die Rede und von dem Ende des „Turbo-Wachstums“.

Zu Meldung 1

Las man Meldung 1 weiter, stellte man fest, dass sich laut einer Umfrage die drei potenziellen SPD Kanzlerkandidaten für 2013 in der Beliebtheit um zwei Prozentpunkte näher an Frau Merkel herangearbeitet hatten. So weit so gut. Der Abstand betrug indes immer noch 46 zu 29, 48 zu 29, bzw. 57 zu 17 Prozent, je nach Kandidat.

„Abrutschen“? Davon kann doch wohl hier keine Rede sein. Woher rechtfertigt ein Journalist die mangelnde Sorgfalt hier von „Kratzern am Image“ zu sprechen?

Zu Meldung 2

Las man wiederum Meldung 2 weiter, staunte man nicht schlecht über ein Umsatzwachstum von 45 Prozent im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal. Dies sei nicht den Erwartungen entsprechend, da das erste Quartal 2010 zu 2009 um 154 Prozent stärker war und das erste Quartal 2011 zu 2010 um 88 Prozent.

Prima, dann war entweder das „gigantische Wachstum“ schon im letzten Jahr vorbei (von 154 auf „nur“ 88 Prozent), oder 45 Prozent Umsatzwachstum sind einfach viel zu gering nicht mehr der Rede wert.

Hier wird der substanzielle Inhalt der Schlagzeile geopfert. Wer ein wenig nachrechnet, stellt bei diesen Prozentzahlen fest, dass das absolute Wachstum in Dollar sich fast genau auf dem Vegleichsniveau des Vorjahres bewegt. Das Unternehmen ist also um nahezu den gleichen Betrag wie im Vergleichszeitraum des Vor-Vorjahres gewachsen. Aber die Mühe des Nachrechnens macht sich natürlich nicht jeder.

Schlagzeilen-Mentalität

Unser Bundestagspräsident, Dr. Norbert Lammert, immerhin der zweite Mann im Staat, wird nicht müde, eben diese Schlagzeilen-Mentalität zu thematisieren (neben seiner ausgeprägten Abneigung gegen flache Talkshows). Und er hat Recht. Das Web und die Vielfalt der Informationen führen dazu, dass wir Dinge eher überfliegen, als dass wir sie vertiefend lesen. Quantität statt Qualität ist die Folge.

Ich finde, dass Journalisten hier eine besondere Verantwortung haben. Es geht nicht darum, die reisserischste Schlagzeile zu produzieren. Es geht darum, zu informieren. Ungefärbt, objektiv. Wenn ich gefärbte, subjektive Informationen haben möchte, lese ich Parteiorgane, höre den Radiosender eines Bundesligavereins oder lese einen als solchen bezeichneten Kommentar.

Als Unternehmer, Professor und auch als Berater betone ich immer wieder bei meinen Mitarbeitern, Studierenden, Klienten, wie wichtig es ist, sich mit Informationen vertiefend und substanziell auseinanderzusetzen. Lieber eine Information weniger, dafür den Rest richtig verstanden.

Und manche Nachrichtensender sollten sich nochmal intensiv mit ihrem Auftrag beschäftigen.

Ihr Guido Quelle

(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH