Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 620: Die große Linie

Neulich, irgendwo in den sogenannten sozialen Medien ärgerten sich einige Personen, ich selbst auch, über kleinstteilige Regelungen, die aus Brüssel zu uns kommen und in Gesetze und Verordnungen gegossen werden müssen.

Ich ärgerte mich in dem Fall über die neuen Schraubverschlüsse an Milchkartons. Kennen Sie die Dinger? Früher konnte man den Schraubverschluss eines Milchkartons aufdrehen, idealerweise wurde bei der Gelegenheit auch der Zugang zur Milch frei gedrückt und den Schraubverschluss drehte man nach Verwendung der Milch wieder fest. Fertig.

Heute ist es anders. Heute ist es Vorschrift, dass der Schraubverschluss fest mit dem Milchkarton, beziehungsweise der Plastik-Verschlusskonstruktion verbunden ist. Mich nervt das ungemein und das Erste, was ich tue, ist, die Deckelverbindung abzureißen. So ist es wieder praktisch.

Die Vorschrift dazu wurde in der EU „erarbeitet“ und soll vermutlich dabei helfen, dass die Deckel nicht in der Gegend herumfliegen – durch entsprechende Erziehung könnte das Problem gelöst werden. Egal, jedenfalls dachte ich: „Damals, als de Gaulle und Adenauer über die Europäische Union nachdachten und dabei vor allem die Wichtigkeit der Schraubverschlusspflichtverbindungen bei Milchkartons betonten …“ – und musste dabei selbst lachen.

Wenn Systeme oder Produkte reifen, wenn Unternehmen älter werden, stehen wir stets unter der Herausforderung, nicht die Mikro-Ebene im Detail zu regeln. Die große Linie droht, mit der Zeit verloren zu gehen und es ist, wollen wir uns wirklich gezielt weiterentwickeln, wollen wir wirklich weiter wachsen, wichtig, sich regelmäßig an diese große Linie zu erinnern.

Möchten Sie Beispiele aus der Unternehmenspraxis? Gern. Wie wäre das Controllingsystem, das ein echter Durchbruch war, als es eingeführt wurde und das über die Jahre um eine Trillion weiterer Auswertungen erweitert wurde, die niemand mehr im Überblick hat und die auch nicht dem Wachstum dienen?

Wie wäre es mit dem Qualitätsmanagementsystem, das seinerzeit eingeführt wurde, weil die Kunden es forderten und / oder weil Sie es als prima Rationalisierungsinstrument erkannt haben und das heute jede einzelne Detailfacette des Unternehmens beleuchtet, obwohl der Nutzen jener Details fraglich ist?

Wie wären die elektronischen oder manuellen Auswertungen im Vertrieb und die Vertriebsberichte, die zu Beginn ihrer Einführung eine gewisse Systematik geschaffen haben und die um immer mehr Details ergänzt wurden, sodass der Vertrieb heute mitunter treffend vorbringt, dass er nicht mehr zum Kunden komme?

Wenn wir mit unseren Klienten an deren Wachstumsstrategie arbeiten, geht es auch immer darum, die große Linie wieder vom Staub der Einzelheiten zu befreien und sich mancher Einzelheit zu entledigen.

Tun Sie das auch!

 

Auf eine gute Woche!

Ihr und Euer

Guido Quelle