Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 632: Das Wichtige sichtbar machen

Ich habe eine neue elektrische Zahnbürste gekauft. Sie ist – obwohl ich lange überlegt habe – von demselben Hersteller wie ihre beiden Vorgänger, die im Elektroschrott gelandet sind, weil sie nach Jahren den Dienst verweigerten. Aber Sie wissen, wie das ist: Es sind noch zahllose Aufsätze im Bestand, die Ladeeinheiten sind kompatibel und so fort, man ist schnell gedanklich gefangen – aber das ist eine andere Geschichte, im Übrigen wollte ich es mir einfach machen.

Die Testergebnisse habe ich mir zuvor natürlich angeschaut und wieder einmal festgestellt: In den einzelnen Segmenten sind die Unterschiede sehr gering. Braun oder Philips? Bei den Spitzenmodellen völlig unerheblich. Es ist in anderen Branchen genauso: S-Klasse, 7er oder A8? Eine Ebene darunter: E-Klasse, 5er oder A6? Unterschiede sind unerheblich, die Kaufentscheidung fällt aufgrund der mit der Marke verbundenen Merkmale und Konsequenzen. Doch lassen Sie uns nicht abschweifen, wir wollen ja darüber sprechen, dass es wichtig ist, das Wichtige sichtbar zu machen.

Im Karton der Zahnbürste: Zahlreiche Zettel und Booklets. So nahm ich die – vermeintliche – Bedienungsanleitung in der Größe DIN A6 zum Lesen mit ins Wohnzimmer und wunderte mich bereits, dass sie recht dick geraten war. „Klar, alle Sprachen dieser Erde“, dachte ich.

Mit den Sprachen lag ich richtig. Aber: wer beschreibt mein Erstaunen, dass es sich gar nicht um die Bedienungsanleitung handelte? Es handelte sich vielmehr um die Sicherheitsanweisungen, in 37 (sic!) Sprachen. Auf 134 (sic!) Seiten. Gewicht: 61 (sic!) Gramm. Schriftgröße: sehtestrelevant.

In dem Buch war kein einziger Hinweis auf die Bedienungsspezifika. Nächster Versuch: Ein Faltblatt. Größe DIN A6. Nach einer gefühlten Viertelstunde ausgeklappt auf DIN A2. Inhalt: Garantiebestimmungen in – vermutlich– 37 Sprachen. Schriftgröße: Selbst mit Brille nur schwerlich lesbar. Kein Hinweis auf die Bedienungsspezifika. Gewicht: 15 Gramm.

Die blaue Karte für die Garantieverlängerung war auffällig, Registrierung ging schnell, ist erledigt. Und die Bedienungsanleitung? Ah! Da war sie, das musste sie sein: die Bedienungsanleitung, auch DIN A6. Ein Faltblatt ausgeklappt auf DIN A5. 16 selbstsprechende Piktogramme. Kein Text, nur schwarz/weiß-Bilder, selbst sprechend, gut gemacht. Alles geklärt, danke. Ende. Gewicht: 1 Gramm, keine Pointe.

Ich könnte jetzt noch darüber schreiben, dass man früher eine manuelle Zahnbürste hatte, wusste, dass man zwei Minuten auf die vier Zahnquadranten aufteilen sollte, der Zahnarzt hat Putztipps gegeben und fertig. Heute haben wir Formel-1 Zahnputzboliden für mehrere Hundert Euro, mit vernetzten Bürsten und einer App, die uns sagt, wie gut wir waren – beim Zähneputzen, ein Sternchen, danke schön. Dies ist nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich relevant.

Die Lektion, die ich mitnehme und an der ich Sie teilhaben lassen möchte:
Bei allen Vorschriften und bei aller Effizienz machen Sie das Wichtige sichtbar. Die Bedienungsanleitung hätte einen Sticker, eine Farbe, einen Hinweis verdient und vielleicht ist es sogar möglich, einen QR-Code mitzuliefern, mit dessen Hilfe man die Garantiebestimmungen und die Sicherheitshinweise herunterladen kann. (Mein Tipp: Sie würden nur vom Wettbewerb und von Behörden heruntergeladen), denn wer eine App-fähige Zahnbürste kauft, hat auch ein Handy. Möglicherweise ist das aber auch gesetzlich verboten, Digitalisierung ist ja Teufelszeug.

Machen Sie das Wichtige sichtbar. Helfen Sie Ihren Kunden im Dschungel der Verwirrung. Geben Sie Orientierung – dazu dient eine Marke übrigens exzellent!

Auf eine gute Woche

Ihr und Euer

Guido Quelle