Schlagwortarchiv für: Europäische Union

Die persönliche Sicht: Europa

Ich möchte eine Bitte äußern: Stoppen wir bitte das unselige Gerede darüber, ob „Europa“ Sinn ergibt, oder nicht. In diesem Zusammenhang stoppen wir bitte auch das ebenso dumme Gerede darüber, ob die „Europäische Union“ Sinn ergibt, oder nicht.

Selbstverständlich ergibt Europa Sinn. Selbstverständich ergibt die Europäische Union Sinn. Selbst, wenn wir uns darauf reduzieren, dass wir seit 60 Jahren Frieden und wachsenden Wohlstand in Europa haben – jawohl, wir haben trotz des ganzen Geredes über „die Krise“ einen nie gekannten Wohlstand -, selbst wenn wir uns nur darauf reduzieren, dass wir ohne jede Behinderung durch Europa reisen können, selbst wenn wir nur betrachten, wie selbstverständlich es heute ist, dass wir in jedem Land der EU arbeiten können, ist das Konzept „Europa“ beispiellos erfolgreich. Der wirtschaftliche Zusatznutzen ist hier noch gar nicht in Betracht gezogen.

Wer nicht zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden kann, wer das große Ganze wegen – wenn auch nicht unmaßgeblicher – Irritationen aus dem Auge verliert, wer politisch opportunistisch auf dem Rücken unseres Europas argumentiert, handelt fahrlässig, mitunter auch unlauter. Von Spitzenpolitikern erwarte ich Weitsicht und das Einstehen für die Sache. Auch daher wäre es wünschenswert, wenn Politiker einen Beruf hätten, auf den sie im Falle einer Abwahl zurückgreifen könnten. Sie würden dann anders reden und bessere Entscheidungen treffen – im Sinne der Sache.

(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH

Die persönliche Sicht: Griechenland

„Griechenland“. Ich kann es nicht mehr hören. Jeden Tag werden wir beschallt und es springen uns Schlagzeilen ins Auge, wie gefährlich die Griechenland-Situation für die Eurozone sei, wie faul das gesamte griechische Volk und wie korrupt alle – alle – Politiker seien.

Jürgen Fitschen, der neue Co-CEO der Deutschen Bank sprach auf einer Veranstaltung in Berlin am letzten Freitag, bei der ich auch geladen war, über Griechenland und er gab erste-Hand-Informationen, weil er gerade aus Griechenland kam. Es tut gut, sich statt dem medialen Durcheinander einmal einer Primärinformation zuzuwenden.

Also: Schluss mit dem Übertreibungs-Unsinn.

  • Ja, manche, vielleicht sogar einige, griechische Steuerpflichtige entrichten keine oder keine korrekten Steuern – wie steht es eigentlich in Deutschland mit der Steuerehrlichkeit?
  • Ja, manche, vielleicht sogar einige, griechische Politiker sind vermutlich korrupt.
  • Ja, Griechenland hat eine unsichere Zukunft und es gilt die Regel, dass diejenigen, die die Probleme geschaffen haben, sie vermutlich nicht lösen werden.

Aber:

  • Griechenland spielt eher eine symbolische als eine tatsächlich gewichtige Rolle. Wenn Griechenland aus dem Euro aussteigen wird – was nicht geschehen wird – werden wir nach einer kurzen Eruption nichts mehr davon spüren. Die Einzigen, die benachteiligt sind, sind die Griechen selbst, weil ihre Währung dann nur noch halb so viel wert wäre.
  • Der Euro ist eine Erfolgsstory, Deutschland hat sehr davon profitiert und davon dürfen uns auch Stimmungsmacher nicht abbringen.
  • Die Zukunft Spaniens ist für die Eurozone wesentlich relevanter als die Zukunft Griechenlands.
  • Im Moment profitiert Deutschland sogar von der Situation in unseren südeuropäischen Gemeinschaftsstaaten, denn die Goethe-Institute können den Ansturm von Menschen, die die deutsche Sprache lernen wollen, um hier später zu arbeiten, nicht mehr bewältigen.

Behalten wir also die Perspektive und versuchen wir, Griechenland, Spanien, Italien, dabei zu unterstützen, die Probleme zu lösen. Wenn ein Staat sie nicht lösen will, weil seine Regierung sich gegen die Abmachungen stellt, hat er es so gewollt. Solange aber ernsthafte Bemühungen erkennbar sind, gehören sie unterstützt.

Wie im Unternehmen gilt auch in anderen Bereichen: Wenn ein neues Verhalten gewünscht wird, ist selbst das Bemühen zu fördern.

Und lassen Sie uns bitte wieder an die Vorteile einer Europäischen Union denken und darüber sprechen, statt dieses leidige Gezerre zu ertragen.

Ihr Guido Quelle

(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH

Europas Wachstum – Wo ist die Vision?

Ich bin ein Europa-Überzeugter. Es gibt meines Erachtens nur wenige echte Alternativen zu einer Europäischen Union und ich finde den Gedanken faszinierend, aus ehemals sich singulär optimierenden Staaten etwas zu bilden, das ein größeres Ganzes ergibt, ohne die jeweiligen Herkünfte und Identitäten zu vernachlässigen – vielleicht werden die Unterschiede sogar zur Stärke.

Das irrige Bild

Diejenigen, die die „Vereinigten Staaten von Europa“ vor Augen haben und dabei möglicherweise auch auf Parallelen zu den „Vereinigten Staaten von Amerika“ reflektieren, springen allerdings auf einen völlig falschen Zug auf. Denn genau die unterschiedlichen Herkünfte und gewachsenen Kulturen, die unterschiedlichen Sichten auf den gleichen Sachverhalt und nicht zuletzt auch die Tatsache, dass viele dieser Staaten in ihrer Historie Kriege mit- und gegeneinander geführt haben, macht deutlich, dass der Vergleich zwischen den USA und den „USE“ überhaupt nicht funktioniert.

Die echte Stärke – und einige Engpässe

Das ist auch gar nicht notwendig, könnten wir in Europa doch aus echten eigenen Stärken Kraft schöpfen und die Vielfalt zum hohen Gut erheben. Die einzelnen Staaten haben so vieles beizutragen, dass wir aus den „Best Practices“ hohen Gewinn erzielen könnten, wenn – ja, wenn – wir nicht dauernd damit beschäftigt wären, das nationale Ego zu befriedigen.

Natürlich dürfen Staaten ihr eigenes nationales Interesse nicht völlig aus den Augen verlieren, aber muss denn immer das Prinzip gewinnen? Oder der Proporz? Darf es nicht auch ein wenig öfter die Vernunft sein, die als Erste durchs Ziel geht?

Im Augenblick ist der Blick auf die europäische Einheit natürlich durch die Schuldenkrise einiger Mitgliedsländer getrübt, aber ich bin sicher, dass die EU daraus gestärkt hervorgehen kann, wenn die richtigen Maßnahmen getroffen werden und nicht das Prinzip „Hoffnung“ schon hinreichend für gewisse Maßnahmen ist. Lassen wir den Blick aber weiter gehen, über das derzeitige operative Tun hinaus:

Die (fehlende) Vision

Was der EU heute völlig fehlt, ist eine gemeinsame Vision. Eine Vision, verstanden als möglichst greifbares, konkretes, erstrebenswertes, wenn auch vielleicht nie erreichtes Bild einer gemeinsamen Zukunft, ist aber eine der Grundbedingungen für Wachstum. Ohne Vision gerät Wachstum zum Zufall. Das kann auch funktionieren, ist aber schon auf Unternehmensebene gefährlich, auf Staaten(verbund)ebene fahrlässig. Wir brauchen eine gemeinsame Vision und das ist etwas, woran die Staats- und Regierungschefs schnellstens arbeiten sollten, wenn sie ihre Schuldenpatienten verarztet haben. Die dann überdies erforderlichen Schritte zu einer (mindestens teilweisen) gemeinsamen Wirtschafts- und Verteidigungspolitik (ohne eine aufgeblähte Verwaltung) machen erst Sinn, wenn die Vision verabschiedet ist. Dann kann Europa auch weiterhin eine Erfolgsgeschichte sein.

Ihr Guido Quelle

(c) 2011, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH