Mandat Wachstums Wochenstart Nr. 666: Wie oft kommt das vor

Eine typische Situation, vor allem in Projekten, in denen der Vertrieb eine sehr große Rolle spielt: Es werden enorme Argumente für das Erhalten bestimmter Sortimentsteile, für das Schaffen neuer Angebote, für das Schaffen kundenindividueller Angebote, für Sonderkonditionen, für … bemüht und niemand fragt: „Wie oft kommt das vor?“

Einem Klientenunternehmen ist in der Zusammenarbeit mit uns klargeworden, dass das Sortiment über viele Jahre hinweg weder gepflegt wurde – das war dem Unternehmen bekannt, es hat dies aber toleriert – noch, dass sich jemand einmal mit den Konsequenzen dieser mangelnden Pflege auseinandergesetzt hätte. Im Gegenteil: Es wurde addiert. Variationen bestehender Sortimentsteile kamen hinzu, neue Sortimentsteile oder gar ganz neue Sortimente wurden addiert, das Angebot wurde immer breiter.

Was geschah? Die Anzahl der Artikel erhöhte sich deutlich, der Lagerplatz wurde pro Artikel geringer, die Gängigkeit pro Artikel sank, weil es sich zum Teil um Ersatzangebote handelte, die Kapitalbindung stieg, die Einkaufskonditionen wurden nicht besser, sondern teilweise schlechter, weil weniger Menge pro Artikel gekauft wurde. Und die Attraktivität des Sortiments? Die konnte nicht so recht unter Beweis gestellt werden, denn die Rendite des Unternehmens hat sich nicht verbessert und der Umsatz nicht überproportional.

Dennoch werden in Meetings wortreiche Gefechte ausgetragen: Man müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben (dieser Vorhalt ist ganz wichtig) unbedingt das Angebot ausweiten, der wichtige Kunde XY (einen solchen kann man immer herbeireden, jedes Unternehmen hat einen Kunden, auf den es nicht verzichten möchte) brauche das unbedingt, ansonsten wechsele er zum Wettbewerb, das habe er schon mehrfach angedroht.

Niemand fragt: „Wie oft kommt das vor, dass jener Kunde dieses Angebot in Anspruch nimmt oder nehmen wird?“ Wir fragen das. Wir fragen das oft. Wir fragen das immer, wenn insbesondere vom Vertrieb ein Vorhalt kommt, dass Kunden „unbedingt“ ein bestimmtes Angebot von unserem Klientenunternehmen erwarten. Wir fragen: „Wie oft kommt das vor?“

Rechnet man nämlich nach, ob die Angebotsausdehnung (es bleibt nicht bei der einen!) rentabel ist, kommt man oft genug zu der Überzeugung, dass dies nicht der Fall ist – selbst nicht unter Akzeptanz, dass es ein wichtiger Kunde ist. Nein, es ist mangelndem Mut, mangelnder Konsequenz, mangelnden Zielen des Unternehmens zuzuschreiben, dass Angebote sich ungebremst ausdehnen. Liebe Unternehmensführung, da können Sie sich auch nicht herausstehlen, denn wenn der Vertrieb einen Kunden aus Konsequenz verliert und dann kräftig von der Unternehmensleitung abgestraft wird, merkt sich der Vertrieb das und wird das nicht noch einmal tun.

In Projekten zur Sortimentsbereinigung, Lieferantenpriorisierung und Einrichtung von einfachen, aber wirksamen Bewertungssystemen begegnet es uns immer wieder: Nicht selten sind bis zu 30 Prozent des Sortiments zwingend zu hinterfragen.

Daher stellen Sie die Frage: „Wie oft kommt das vor?“ Stellen Sie sie immer, wenn Drohszenarien aufgebaut werden, stellen Sie sie immer, wenn Verallgemeinerungen bemüht werden, stellen Sie sie immer, wenn es darum geht, etwas auszudehnen, statt sich zu fokussieren. Fragen Sie, „Wie oft kommt das vor?“

Im Übrigen gilt dies mitnichten nur für Unternehmen, die physische Angebote in Form von „Artikeln“ oder „Produkten“ haben, sondern in gleicher Weise auch für Dienstleister.

Auf eine gute Woche!

Ihr und Euer

Guido Quelle