CEO-Tipp des Monats Juni 2018: Kunden binden? Sog statt Druck
Allein der Begriff der „Kundenbindung“ erzeugt bei mir schon immer ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits ist eine freiwillige Bindung ja etwas Schönes. Man bindet sich aneinander im übertragenen Sinne. Im Unternehmen – und hier vor allem in Initiativen zur Vertriebsintensivierung – wird aber aus dem Sog schnell ein Druck: „Wir müssen die Kunden stärker an uns binden!“, das hört man regelhaft. Dann denke ich an Fesseln, Ketten, Bänder, Schlösser, an ein schwieriges Entkommen aus dieser doch sehr einseitig initiierten Bindung. Natürlich kann man sagen, dass eine Bindung fast nie einseitig ist, gleichwohl möchte ich in diesem CEO-Tipp das Augenmerk darauf lenken, dass Zwang und Druck keine guten Berater für das Schaffen profitablen Wachstums sind. Erzwungene Kundenbindungsmaßnahmen sind nie eine gute Idee.
Immer wieder greifen wir in Beispielen zu Apple. Wir tun dies nicht etwa, weil uns nichts anderes einfiele, aber bei Apple kann man in der Tat vieles lernen. So hat Apple stets ein proprietäres Umfeld favorisiert. Apple-Käufer sollten auf keinen Fall irgendwelche offenen Schnittstellen nutzen können und in der gesamten Hardware- (und Software-) Welt idealerweise nur Apple nutzen. Das ist früher, gelinde gesagt, nicht so gut angekommen und so war die Welt der Apple-Jünger früher auch wesentlich kleiner und manch einer schaute verstohlen auf die große offene, weite Welt, die sich im PC-Bereich abseits von Apple abspielte: Mehr Software, offenere Schnittstellen, mehr Auswahl.
Heute sieht die Sache ein wenig anders aus. Zwar ist Apple immer noch ein Fan von proprietären Welten, siehe iOS, Mac OS, Hardwarekompatibilität, iTunes-Schnittstellen, usw., aber Apple hat sich doch an manchen Stellen geöffnet. iTunes ist auch auf Windows-Rechnern verfügbar, es gibt eine Windows-Simulation auf dem Mac, vor allem aber – und das ist der Kern – hat sich die Welt signifikant vergrößert, sodass der Bedarf, sich außerhalb der Mac-/iPhone-/iTunes-/iPad-Welt zu bewegen, wesentlich geringer geworden ist. Apple hat erkannt, dass in einer Welt größer werdenden Transparenz und größer werdender Individualisierungswünsche Zwänge nicht hilfreich sind. Zu diesem Zweck wurde auch vehement an der Marke gearbeitet, sodass Apple-Kunden heute durchgehend mehr Geld für weniger technische Leistung zu zahlen bereit sind, einfach weil sie sich mit der Marke schmücken möchten, weil sie Teil der Marke sein wollen.
Das Beispiel führt zu drei wesentlichen Erkenntnissen: Erstens ist für das Verstärken eine Kundenbindung ein einseitiges Ausüben von Zwang nicht nur nicht hilfreich, sondern schädlich. Zweitens hängen Marke und Vertrieb untrennbar miteinander zusammen, denn der Vertrieb muss sich darauf verlassen können, dass die Marke wohldefiniert ist, ihre Leitplanken und Attribute bekannt und belastbar sind und dass er sich in die Realisierung der Marke hat einbringen können. Auf der anderen Seite ist der Vertrieb hier nicht in einer Forderungsstellung, sondern hat eine erhebliche Bringschuld und wir erleben oft genug, dass Markengrundsätze dem kurzfristigen Umsatz geopfert werden. Drittens sehen wir an dem Beispiel repräsentativ für viele weitere Beispiele, dass die rational-technischen Aspekte von Leistungsangeboten nur bis zu einem gewissen Grad relevant sind, wichtiger sind die emotionalen Aspekte und damit sind wir wieder bei der Freiwilligkeit der Bindung.
Was hat das für Sie als Unternehmenslenker zu bedeuten? Wirken Sie mit aller Kraft darauf ein, dass Kundenbindung bei Ihnen im Unternehmen positiv besetzt ist – auch bei Ihren Kunden. Wirken Sie darauf ein, dass Maßnahmen beschlossen werden, die Sog erzeugen, denn Druck ist kontraproduktiv. Und wenn Sie wissen wollen, was regelhaft funktioniert und was nicht, wenn Sie keine Zeit durch teures Lernen verlieren wollen, fragen Sie Experten, die sich nachweisbar auskennen.
© 2018, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York. ***
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